New York, New York!
September 5th, 2023Eigentlich wollte ich mehr über die große Waldviertler Auswanderungswelle am Ende des 19. Jahrhunderts herausarbeiten, aber da erfuhr ich, dass zwei Schwestern der Familie Kapeller aus Steinbach bei Großpertholz auf eigene Faust nach Amerika gegangen sein sollen. Ich selber war die ersten Jahre bei meiner Großmutter in Steinbach und kann mich dunkel an einen Besuch bei den alten Kapeller im Dorf erinnern. Heute verfällt das Haus, dem man aber sein einstig schmuckes Äußeres noch gut ansehen kann.
Ich bin der Sache nachgegangen, fand die beiden Kapeller und noch weitere vier Verwandte, die ebenfalls vor oder nach ihnen nach Amerika gefahren waren.
Das ist der Bericht über sechs Junge Frauen und Mädchen aus der Sippe Laister-Miedler-Kapeller, die auf eigene Faust oder durch Entscheidung ihrer Eltern die weite Reise in den unbekannten Westen antraten und den American Dream zu verwirklichen suchten. Sie stammten aus Mühlbach, Steinbach und Oberlainsitz.
Johann, der Ältere
August 10th, 2023In dem Blogbeitrag "Diese Drei machen aus Schicklgruber Hitler" schrieb ich noch, dass für den Zeugen Johann Breiteneder zwei Personen in Frage kämen. Nach Einsicht in das Lagalisierungs-Protokoll ist es nun eindeutig: Zeuge war der ältere, aus Spital Nr. 47 Kommende:
Johann "Broadneder", Kleinhäusler und Weber, ist 1800 auf Spital 47 geboren und 1886 als Armenhauspfründler auf Spital 41 gestorben.
Sein Vater war Martin Breiteneder (1774-1859), seine Mutter Maria (1774-1816) eine geborene Ledermüller. Ihr Vater und der Großvater Anton Ledermüllers, des Lehrherrn Alois Schicklgrubers, sind Brüder gewesen.
Zum Zeitpunkt der Unterzeichnung des notariellen Schreibens war Johann B. 76 Jahre alt. Seine Signatur unter dem Legalisierungsprotokoll wirkt jedoch äußerst jugendlich:
Adoption der großjährigen Anna Glasl und deren Kind Joseph Glasl
August 8th, 2023Symbolbild
Ich konnte heute im Salzburger Landesarchiv eine besondere Mappe einsehen. Es handelte sich um Akten des aufgelassenen Bezirksgerichtes Radstadt, die seit mehr als 160 Jahren in aller Stille darauf warteten, geöffnet zu werden!
"Registraturs Act X1. 1860
Gegenstand: Hörer Joseph Zolleinnehmer in Radstadt und Maria um Bewilligung der Adoption der großjährigen Anna Glasl und deren Kind Joseph Glasl."
Als wären sie erst gestern geschlossen worden, las ich auf gefalteten, mit Feder und schwarzer Tinte beschriebenen Bögen, was viele gerne früher gelesen hätten. Anfang Mai hatte ich beim Salzburger Landesarchiv angefragt. Der finale Fund ist ist dem besonderen Eifer und Wissen einer Mitarbeiterin des Landesarchivs Salzburg zu verdanken.
In kurzen Worten der Inhalt der vielen Seiten:
Im Jahr 1860 erst entschlossen sich Josef und Maria Hörer, zuerst die großjährige Anna Glasl und gleich darauf auch deren minderjährigen Sohn Josef zu adoptieren.
Josef Hörer, geboren 1793 in Linz, war im 67. Lebensjahr, seine Frau Maria, geborene Damberger, war 1796 in Engelhartszell zur Welt gekommen und daher im 64 Lebensjahr.
Von Anna Glasl ist Schicklgruber/Hitler-Biografen eine Taufurkunde bekannt: Geburt im Jahr 1823 in Theresienfeld bei Wiener Neustadt als Tochter des Steuereinnehmers ("Tabak- und Stempelgefällaufseher") Josef Glasl und seiner Frau Elisabeth, geborene Pfündl.
Die Adoption wurde genehmigt, da der Altersunterschied groß genug war und die Hörer keine eigenen Kinder hatten und aufgrund ihres Alters auch keine mehr bekommen konnten.
Aus den Akten erfährt man, dass das Paar Josef und Maria Hörer die kleine Anna schon mit etwa 8 Jahren zu sich nahmen, als deren Eltern im Jahr 1831 Opfer der damaligen großen Choleraepidemie wurden. Sie starben in Rohrau bei Bruck an der Leitha. Die Stadt war zur Abwehr der Seuche zu der Zeit militärisch zerniert, heute würde man sagen, sie stand unter Quarantäne.
Gleich nach der Bewilligung der Adoption Annas suchten die Adoptionseltern auch um die Erlaubnis an, deren unehelich 1851 in Radstadt geborenen Sohn Josef Glasl adoptieren zu dürfen. Dies wurde ebenfalls vom "hochlöblichen kk Landesgericht zu Salzburg" 1860 bewilligt. Josef Glasl war von Geburt an in der Obsorge des Paares gewesen, Josef Hörer war der Vormund des vaterlosen Kindes.
Somit ist alles geklärt.
Ich habe endlich den vorehelichen Namen Maria Hörers erfahren: Damberger. Damit ist definitiv sicher, dass ein schon länger gefundener Trauungseintrag tatsächlich die beiden Adoptiveltern betrifft. Sie heirateten am 22 September 1822 in Wien in der Kirche St. Augustin im ersten Bezirk. Er war damals "Musicus", sie Köchin, beide lebten in derselben Pfarre.
Bisher war nicht klar, wie Anna Glasl und das Ehepaar Hörer überhaupt zusammen kamen. Nun ist plausibel, dass der Vater von Anna ein Kollege des Josef Hörer war. Vielleicht lässt sich dazu noch ein Beleg finden. Und wir wissen nun auch, welch tragisches Ende die Eltern von Anna gefunden haben. Ich konnte bisher keine Sterbeeinträge für die beiden finden. Jetzt genügte ein Blick in die Sterbematrikel von Rohrau, Jahr 1831: Mutter Katharina [so!] Glasl, kk. Aufsehersfrau, starb am 2. August an Cholera, Vater Josef Glasl, kk. Aufseher, am 9. August, zusammen mit vielen anderen an diesem Tag.
Soviel dazu heute, geschrieben auf der Fahrt im Zug von Salzburg heim nach Wien.
Übrigens, 36 Kreuzer in Stempelmarken mussten damals bei jeder Eingabe an das Gericht geklebt werden.
prinzeps proudly presents: Legalisirungs-Protocoll Alois Hitler
August 7th, 2023Obwohl alle Biografen es erwähnen, wird das Protokoll nie wiedergegeben. Ich hatte von einer Fotokopie in einer alten Doktorarbeit gehört und diese betreffende Dissertation heute ausgehoben: Karl Merinsky, Das Ende des Zweiten Weltkrieges und die Besatzungszeit im Raum von Zwettl in Niederösterreich (Wien 1966).
Hier einmal kommentarlos diese Kopie aus dem Anhang dieser schmalen Aebeit:
Das Original soll sich im Niederösterreichischen Landesarchiv befinden.
Eine Spitalerin, Nichte von Anton Ledermüller, ging nach Amerika. Und nicht nur sie!
August 5th, 2023Wie im letzten Eintrag beschrieben, schwören drei Männer am 6. Juni 1876 in Weitra beim Notar, dass der Georg Hiedler, lange selig, der Vater des Alois Schicklgruber gewesen sei. Zwei davon gehören nahe zur Familie Ledermüller in Spital Haus Nr. 28!
Der Schustermeister Anton Ledermüller ist - wie wir wissen - der Lehrherr von Hitlers Vater 1850 bis 1852. Wie sind die "Hitler"-Zeugen nun mit ihm verwandt? Die Schwester des Schustermeisters, Josefa, heiratete im Jahr 1831 den Webergesellen Josef Pautsch aus Spital 16. Der eine Zeuge, Engelbert Pautsch, ist ein Sohn der beiden! Der zweite Zeuge, Johann Breiteneder, ist durch seine Heirat mit Tochter Theresia ein Schwiegersohn der beiden!
Im Zuge der Erkundigungen zu den beiden Zeugen bin ich auf die Geschichte einer weiteren Tochter von Josef Pautsch und Josefa, geb. Ledermüller, gestoßen. Und die ist nicht weniger spannend! Sie führt uns in die bis heute unerforschte Geschichte der Waldviertler Auswanderung am Ende des 19. Jahrhunderts nach Amerika!
Diese Schwester bzw. Schwägerin der Hitler-Zeugen heißt Juliana Pautsch und ist 1839 auf Spital 16 geboren. Sie geht als Erwachsene nach Wien Erdberg, in welchem Bezirk auch die Spitaler Prinzen wohnen. Mit 30 Jahren heiratet die nunmehrige Handarbeiterin dort in der Kirche St. Peter und Paul den fünf Jahre jüngeren Tagelöhner Franz Brunner (in der Matrik "Bruner"), der von einem Weber Franz Brunner senior aus Pürbach bei Schrems stammt. Die Kinder des Ehepaares werden:
Juliana (später Julia) Brunner: * 18. Mai 1870, Dietrichgasse 23
Josefa (Josephine, Josie) Brunner: * 29. Februar 1872, Strozzigasse 47 (8. Bezirk, gute Adresse)
Franz Josef (Frank J.) Brunner: * 22. September 1874, Palmgasse 6 (Nähe Westbahnhof)
Alois (Louis) Brunner: * 18 Jänner 1877, Palmgasse 6
Die Buben Franz und Alois sehen für's erste ihre Großeltern väterlicherseits nicht. Diese sind nämlich im März 1872, gleich nach der Geburt von Josefa, nach Bremen aufgebrochen, um dort die große Reise über den Atlantik nach Amerika anzutreten. Von der Familie Brunner reisen: Die Großeltern Franz (53) und Anna (54) Brunner, die Tante Maria (21) und alle Onkeln, die da wären: Ferdinand (18), Anton (14), Josef (25) und Johann (34). Die Reihenfolge ist hier dieselbe, wie in der Passagierliste des Dampfschiffes Hannover, welches am 28. Mai 1872 New York erreichte.
Wie ein Kollege unter den Ahnenforschern, Friedrich Hafner, festgestellt hat, fahren mit den Brunnern auf der SS Hannover noch an die 50 Waldviertler aus unsrer Gegend mit. Sie stammen etwa, wie die Brunners, aus der Pfarre Langschwarza, aber auch aus Kleedorf, Ullrichs, Lembach usw.
Die Tante Josefa heiratete 1869 den Vogler Josef aus Hoheneich und folgt der Familie im Jahr 1878.
Wie es aussieht, bleibt von der Brunnerschen Verwandschaft nur die älteste Tante Walpurga "zu Hause" in Wien. Sie hat dort schon 1863 in Erdberg den aus Hoheneich stammenden Gärtner Franz Haider geheiratet. Sie wäre bei der Reise der Eltern 33 Jahre alt gewesen.
Als Julianes und Franzens Jüngster, Alois, fünf Jahre geworden ist, machen sie sich zusammen mit allen vier Kindern, so wie die anderen vor zehn Jahren, auf den Weg nach Amerika. Sie reisen im Sommer 1882 nach Bremen und gehen an Bord der SS Hermann. Das Schiff geht nicht nach New York, sondern nach Baltimore, wo sie am 14 Juli 1882 ankommen.
In der Passagierliste sind sie als Familie Brammer geführt, deswegen waren sie nur durch tagelanges, händisches Suchen zu finden!
So wie bei allen Verwandten, liegt das Land ihrer Hoffnung noch mehr als 1000 Meilen von Ihrem Ankunftshafen entfernt: in Wisconsin, das westlich der Großen Seen im Nordosten der USA liegt.
Wir werden sehen, dass es dort in bestimmten Regionen richtige Waldviertler Gegenden gibt.
Anzeige in der Wiener Morgen-Post 1872. Wer konnte da hierbleiben?
So in etwa sah die Hermann aus.