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„Allenfalls mehrere Wünsche“
Da Josef Neugschwandtner angeben konnte, am 8. Oktober 1932 in Gmünd-Neustadt bei der „Saalschlacht“ gegen Antifaschisten verletzt worden zu sein, fiel er unter die Versorgungsgruppe der „Betreuungsstelle für die alten Parteigenossen und Angehörigen der Opfer der nationalsozialistischen Bewegung im Bereiche des Gaues Wien.“ Dort schanzte man seiner Klientel jene Stellen und vielleicht auch Geschäfte zu, welche durch die massenhafte Entlassung von Juden frei gemacht worden waren.
Neugschwandtner stellte schon am 3. Mai 1938, nicht einmal zwei Monate nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten in Österreich, an die von Hanns Blaschke geführte Versorgungsstelle einen formellen Antrag. Darin antwortete er auf die Frage: „Welche Stellung streben sie an (privat oder öffentlich und Art derselben? Allenfalls mehrere Wünsche)“ mit: „für Kunst u. Antiquitätengeschäft (eventuell als kommissarischer Leiter) oder Anstellung in einem Kunstinstitut oder Museum oder Denkmalamt, oder in andere, in diesem Fache einschlägigem Gebiete.“
Seine Qualifikationen dafür laut Fragebogen:
„Schulbildung: Name der Schule und Angabe der Abgangsdaten (Schlusszeugnis)
8-klassige Volksschule in Groß Schönau (NÖ) 1918.
Berufsausbildung: Gelernter Kunst u. Antiquitätentischler.
Welche Sprachen sprechen Sie? – [keine].
Welche Profession haben Sie erlernt? (Lehrzeugnis, Gesellenbrief): Tischler mit Lehrzeugnis.
Können Sie stenographieren und maschinschreiben? – [nein].
Sonstige Kenntnisse und Geschicklichkeiten (Musik, Sport, etc.): Erfahrung und Kenntnis in Kunst- und Antiquitätengegenständen, auch in anderen Handwerksarbeiten große Geschicklichkeit.“
Schon am 20. Mai 1938 entsprach man dem Ansuchen, wenn auch nur teilweise, denn Blaschkes Betreuungsstelle schickte folgendes Schreiben an das Arbeitsamt für Holzarbeiter:
Neugschwandtner sollte zuerst, seiner Qualifikation entsprechend, bei der Vergabe guter Stellungen im Bereich der Holzwirtschaft bevorzugt werden. Ihm dürfte aber der Sinn nach Höherem gestanden sein, und es gelang ihm ziemlich schnell, wahrscheinlich durch Protektion seines Bruders, als kommissarischer Verwalter einer großen, arisierten Galerie eingesetzt zu werden!
Im Gauakt ist eine Art Feedbackkarte1 der Betreuungsstelle vorhanden, mit der Neugschwandtner am 8. Juni 1938 rückmelden konnte, dass er nun kommissarischer Leiter der Kunsthandlung Salzer2 geworden sei. Unter der Rubrik „Sonstige Wünsche erfüllt“ trägt er ein: „Nachdem ich einstweilen als kommissarischer Leiter fungiere, möchte ich bitten, mir behilflich zu sein, ein Geschäft in dieser Branche zu übernehmen.“
Es galt, jetzt schnell zuzugreifen. Als Briefmarken sind eine 5 Pfennigmarke des Deutschen Reichs mit dem Profil Hindenburgs und eine 30 Groschenmarke mit einem jungen steirischen Jägerportrait geklebt, im Nachhinein ein sinniges Symbol dafür, dass da zusammenwuchs, was nicht zusammengehörte.
Merkwürdig ist, dass erst vom 8. August 1938 ein Schreiben des Staatskommissares in der Privatwirtschaft, Prüfstelle für kommissarische Verwalter, eine formelle Anfrage an den Kreisleiter der NSDAP Kreis I. vorliegt. In diesem wird angekündigt, dass man Neugschwandtner als kommissarischen Verwalter einsetzen werde, sollte bis 6. August kein begründeter Einspruch erfolgen. Vielleicht arbeitete man damit nur noch formell ab, was man in der anfänglichen Hektik beim Raub jüdischen Eigentums nicht gleich erledigen konnte.
Das Arbeitsamt für Holzindustrie meldete am 16. August 1938 an Blaschke, dass Neugschwandtner zurzeit kommissarischer Leiter der Firma „Neumann und Salzer“ sei. Und weiter:
„Arbeit in seinem Beruf kommt nicht mehr in Frage, da sie ihm zu schwer ist. Er hat sich bereits bei der Reichskulturkammer zwecks Eröffnung eines Antiquitätengeschäftes angemeldet und bittet, ihm wenn möglich eine finanzielle Hilfe zu gewähren.“
Neugschwandtner war 34 Jahre alt und konnte wegen der Blessuren von der Massenschlägerei vor sechs Jahren nicht mehr als Tischler arbeiten? Dass ihm jetzt nach dem Sieg der Nazis und als Bruder eines hochrangigen SA-Führers eine ordentliche, arisierte Galerie und ein wenig Geld für den Einstieg zustünde, war für ihn jedenfalls klar.
Von der angesprochenen Reichskammer der bildenden Künste, der auch der Bund Deutscher Kunst- und Antiquitätenhändler angehörte, ist eine formelle Anfrage vom 3. März 1939 betreffend Neugschwandtner vorhanden, in der nach üblicher Vorgehensweise bei der Gauleitung um Auskunft über die „politische Zuverlässigkeit“ des Beitrittswerbers nachgefragt wird. Es liegt auch die Antwort im Akt: „Neugschwandtner Sepp., 9. Wasagasse No.23 ist seit 8.8.1930 Mitglied, Scharführer bei der SA., vollkommen verlässlich und einwandfrei.“ Handschriftlich ist dem kurzen Schreiben noch die besondere Empfehlung hinzugefügt: „Alter Kämpfer!“
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Alle hier zitierten Dokumente finden sich im Gauakt Josef Neugschwandtner, Österreichisches Staatsarchiv, Archiv der Republik, BMI/Gauakten.
1) Anscheinend hat man den alten Kumpanen solche vorgedruckten Karten mitgegeben, damit sie der Partei leicht Erfolg oder Misserfolg beim Verteilen der Beute mitteilen konnten.
2) Bedeutende Galerie Neumann und Salzer, Dorotheergasse 11, Bräunerstrasse 11 bzw. Stallburggasse 2, Wien. Inhaber waren Eugen Neumann und Oskar Salzer 1925 bis 1932, danach Salzer allein bis 1938. Mehr dazu <online>
Dieser Eintrag wurde verfasst am 04 Jul 2018 um 10:23 von prinzeps und ist abgelegt unter HeimatForschung, Geschichte des Nationalsozialismus, Neugschwandtner.
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