Kategorie: "Kafka"

Die Firma Löwy und Winterberg bei Kafka

Oktober 26th, 2011

Die Firma ist heute zumindest noch aus den Briefen und Tagebüchern Franz Kafkas bekannt. So schrieb er im Jahr 1913 an Felice Bauer u.a.:

"Wer hat denn in Prag schon Parlographen? Löwy und Winterberg ist freilich eine große Fa., die drittgrößte Holzhandlung Böhmens soviel ich weiß; ich hatte auch schon geschäftlich mit ihr zu tun. Zwing ihr nur den Parlographen auf, Du liebste Geschäftsfrau."

Der Parlograph war ein gerade erst eingeführtes, modernstes Diktiergerät, das auf einer Wachswalze Ton aufnehmen und wieder abspielen konnte, und Löwy und Winterberg war wegen seiner Größe einer der wenigen potentiellen Abnehmer in Prag.

Ein Satz aus seinem Tagebuch vom 11. 11. 1911 diente vielen Germanisten zur Analyse Kafkas:

"Die von ihren Arbeitschürzen besonders hinten fest umspannten Mädchen. Eine bei Löwy und Winterberg heute vormittag, bei der die Lappen der nur auf dem Hintern geschlossenen Schürze, sich nicht wie gewöhnlich aneinanderfügten, sondern über einander hinweggingen, so dass sie eingewickelt war wie ein Wickelkind."

Und man findet bei Kafka eine Beschreibung des Chefs der Firma im Tagebucheintrag ein paar Wochen vorher:

"heute früh bei Löwy u. Winterberg. Wie sich der Chef mit dem Rücken seitlich in seinen Lehnstuhl stemmt, um Raum und Stütze für seine ostjüdischen Handbewegungen zu bekommen. Das Zusammenspiel und gegenseitige Sichverstärken des Hände- und Mienenspiels. Manchmal verbindet er beides, indem er entweder seine Hände ansieht oder sie zur Bequemlichkeit des Zuhörers nahe beim Gesicht hält. Tempelmelodien im Tonfall seiner Rede, besonders beim Aufzählen mehrerer Punkte führt er die Melodie von Finger zu Finger wie über verschiedene Register."

Wir werden später erfahren, wer dieser Chef gewesen sein könnte.

Das ehemalige Dampfsägewerk von Löwy und Winterberg in Joachimstal: Wie ich darauf gestoßen bin.

Oktober 24th, 2011

Das Dampfsägewerk von Löwy und Winterberg in Joachimstal ist eine Geschichte, die mich nun schon seit Jahren nicht loslässt und immer wieder neu beschäftigt. Vielleicht komme ich weiter, wenn ich anfange, darüber öffentlich zu schreiben, vielleicht finden sich Leute, die mir weiterhelfen können.

Im Juli 2002 lernte ich den oberen Lauf der Lainsitz kennen. Mitten im Nordwald entspringt der Bach, fließt hinüber ins Tschechische, kommt in Joachimstal wieder zurück nach Österreich. Ich hatte gehört, dass dort früher einmal mehr Betrieb gewesen sein soll, aber heute stehen in Joachimstal nur noch ein paar Häuser, erdrückt von Wald, Wald, Wald.

Wenn man von Harmanschlag aus auf der schmalen, einsamen Landesstraße den Ort erreicht, empfängt einen die erwartete Idylle. Man überquert den Bach, eine Lichtung tut sich auf, links ein schönes Haus, das fast wie ein altes Amt wirkt, rechts eine Wiese, auf der Pferde grasen.

Irritierend sind vielleicht ein wenig die vielen Terassen, Steinblöcke und Mauerfundamente auf der Pferdekoppel rechts:

Für meine Website lainsitz.prinzeps.com recherchierte ich immer ein wenig die Geschichte der Orte, an denen die Lainsitz vorbeizog, so auch in Joachimstal.

Die "Heimatkunde des Bezirkes Gmünd" aus dem Jahre 1986 widmet dem Dorf eine halbe Seite. Gründung 1770: Errichtung einer Glashütte durch Joachim Fürst zu Fürstenberg. Zwanzig Häuser, solange die Glaserzeugung florierte, fünf Häuser, nachdem die Hütte zugesperrt worden war. Der letzte Satz des Beitrages sollte ein erster, indirekter Hinweis auf die Geschichte des zerfurchten Grundstückes und der Beginn meiner langen Suche werden : "1964 wurde das große Sägewerk des Verbandes der Vereinigten Österreichischen Waldbesitzer stillgelegt." Das große Sägewerk?

Ich habe damals viel nach so einem Verband gegoogelt, aber nichts gefunden. Der richtige Name wäre "Genossenschaft österreichischer Waldbesitzer, Holzwirtschaftsbetriebe, registrierte Genossenschaft mit beschränkter Haftung" gewesen. Zu diesem Namen hätte ich wenigstens Seiten zu dem anscheinend wichtigen internationalen Urteil gefunden, welches diese Firma im Jahr 1954 erstritten haben soll, und wäre vielleicht schneller weiter gekommen.

Zum Glück gab es damals schon das wunderschöne, dunkelblaue Büchlein "Die Lainsitz. Natur- und Kulturgeschichte einer Region" von Knittler und Komlosy, wo letztere in ihrem Artikel über die Mühlen, Sägen und Hammerwerke auch ein Sägewerk in Joachimstal erwähnt:

"Neben den kleinen bäuerlichen Sägen, die vornehmlich für den Eigenbedarf arbeiteten oder Lohnschnitte für einen benachbarten Kundenkreis durchführten, haben sich - sobald die Eisenbahn den Transport ermöglichte - einige größere holzverarbeitende Betriebe entwickelt, die von Großwaldbesitzern bzw. Holzhandelsunternehmen gegründet wurden. Die beiden größten Betriebe dieser Art stellten das - allerding nicht an der Lainsitz gelegene - 1921 gegründete Sägewerk der Firma Pfleiderer in Karlstift-Rindlberg, die den ausgedehnten Waldbesitz der ehemaligen Herrschaft Großpertholz erworben hatte, sowie das Sägewerk des Prager Holzhandlungsunternehmens Löwy & Winterberg in Joachimstal dar." (Seite 121)

Löwy & Winterberg, ein Prager Holzhandlungsunternehmen, hat hier bei uns, ganz hinten in Joachimstal, ein großes Sägewerk gehabt?

"Letzteres geht auf eine Gründung der Prager Firma Bubeniček in Schwarzau aus dem Jahr 1882 zurück; 1924 wurde das Werk nach Joachimstal transferiert. Obwohl unmittelbar am Ufer der Lainsitz gelegen, wurde es auch hier mit Dampfkraft betrieben - wahrscheinlich deshalb, weil der Fluß so kurz nach dem Ursprung noch zu wenig Kraft für den Antrieb eines Werkes hatte, das mit bis zu 100 Beschäftigten zu den größten des Oberen Waldviertels zählte."

Das zu lesen hat mich schon umgehauen, dass hier am Ende der Welt vor gar nicht so langer Zeit noch hundert Leute gearbeitet haben sollen! Aber der letzte Satz von Komlosy zu diesem Sägewerk hatte es noch mehr in sich: "Im Gefolge der Arisierung gelangte es nach dem Krieg an den Österreichischen Waldbesitzerverband, der das Unternehmen im Jahr 1964 einstellte." (S. 122)

Seit ich diesen Satz gelesen habe, will ich wissen, was da hinten wirklich passiert ist.


 

Kafka-Gasse in Gmünd

Februar 10th, 2006

Manchmal brauchen die Sachen Zeit zum Entwickeln. Die Geschichte mit Kafka und Gmünd war für mich schon vor langer Zeit virulent. Ich hab' damals der Stadtgemeinde Gmünd geschrieben, einen Artikel an den Waldviertler geschickt, eine Ansichtskarte entworfen, aber es ist aus allem nichts geworden.

Sehr geehrter Herr Prinz!

Sie haben uns vor einigen Monaten auf die Beziehung von Franz Kafka zu Gmünd aufmerksam gemacht. In einem Mail haben Sie sogar sämtliche Zitate aus seinen Briefen mitgeschickt und gemeint, man sollte diesem Schriftsteller in Gmünd mehr würdigen.

Nunmehr ergibt sich die Möglichkeit, dass eine neue Siedlungsstraße nach ihm benannt werden könnte. Wir bitten Sie daher um nochmalige Zusendung der damaligen Unterlagen, da ihr Mail bei uns scheinbar verloren ging.

Mit freundlichen Grüßen

Horst Weilguni

Ich habe dem Stadtamtsdirektor-Stellvertreter die Sachen noch einmal geschickt, und erfahre mit Freude von ihm:

Herzlichen Dank für Ihre Bemühungen. Am 6. März soll in der Gemeinderatssitzung der Beschluss für eine "Franz-Kafka-Gasse" gefasst werden.

Mit freundlichen Grüßen
Horst Weilguni
STADTGEMEINDE GMÜND

Wo war Kafka im Sommer 1922? An der Lainsitz!

Mai 20th, 2005

Irgendeiner muss vor Jahrzehnten den fatalen Fehler gemacht haben, und seither hat ihn die ganze Literaturwissenschaft abgeschrieben!

Kafka war im Sommer 1922 fast drei Monate lang (23. Juni bis 19. September) in der Stadt Planá nad Lužnicí, in einer Ferienwohnung seiner Schwester Ottla. Er schrieb dort neun Kapitel seines Romans "Das Schloss", sie blieben die letzten dieses Fragments.

Was liest man in allen Biografien? Er wäre in Plana an der "Luschnitz" (!) gewesen. Alle schreiben es, die gedruckten wie die elektronischen Lebensbeschreibungen. Googelt man nach Kafka und Luschnitz, sieht man das Malheur!

Ich bin überglücklich, diesen Fehler hiermit aufklären zu können. An der Lainsitz hat einer der größten Schriftsteller einen Hauptteil eines seiner bekanntesten Werke verfasst! Die ganze Welt soll es wissen!
Franz Kafka: Das Schloß. Kapitel 12 bis 20. Das Buch wurde erst nach seinem Tod im Jahr 1926 veröffentlicht.

Des weiteren verfasste er in Planá die Erzählung "Forschungen eines Hundes".

Wie es Kafka in Plan erging, erfährt man aus seinen Briefen. Nur einmal, auf einer Poskarte vom 26. Juni an Robert Klopstock, erwähnt er darin auch unseren Fluss:

"...aber da es in Planá lebendige Menschen und Tiere gibt, ist auch hier Lärm, der aus dem Schlaf schreckt und den Kopf verwüstet, sonst aber ist es außerordentlich schön mit Wald und Fluß und Gärten."

Für Kafka und sein Werk ist es natürlich unerheblich, ob der Fluss nun Luschnitz oder Lainsitz hieß. Für den Fluss aber...

Planá nad Lužnicí auf alten Fotographien.
Stadt Planá nad Lužnicí

So sähe die Karte heute aus...

Mai 15th, 2005

Gmünd heute