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Karl Zimmel aus Rottenschachen, heute Rapšach
Der am 25.10.1913 geborene Tischlergehilfe soll bei Wenzl Hartl („ein Haus von Hartl“) gearbeitet und nach der Niederlage von Stalingrad wegen „kommunistischer Reden“ aufgefallen und denunziert worden sein. Er soll am 19.09.1944 vom OLG Wien zu vier Jahren Zuchthaus verurteilt worden sein.1
Genaueres werden wir beim DÖW über ihn erfahren!
Apropos Hartl: Auf deren Firmenwebsite kommen die Jahre 1938 bis 1945 in der Firmengeschichte nicht vor, wohl nicht deshalb, weil sich in dieser Zeit nichts ereignet hätte. Hartl ist gerade in dieser Zeit zum Großlieferanten von Fertigbaracken an die Organisation Todt für den Osten geworden! 1938 soll der Personalstand noch bei 50 gelegen sein, der Höchststand in der Nazizeit aber an die 600 betragen haben! Davon waren 500 Zwangsarbeiter, die in einem unweit aufgebauten Lager untergebracht waren: Franzosen, Belgier, Russen, ab Mitte 1944 auch an die 100 ungarisch-jüdische Leute.2 Man hätte jede Menge aufzuarbeiten!
Auf der Internetressource nie-wieder-gau-wien-niederdonau findet sich folgende Beurteilung der Firma:
„Die noch heute bestehende Firma Hartl - 'Hartl-Haus' in Echsenbach war ein Vorzeigebetrieb der Nazis. Geschäftsführer Ing. Karl Hartl war zugleich Bürgermeister und Ortsgruppenleiter. Damals hieß sie Fa. Wenzel Hartl, Niederlassung Echsenbach.
Hartl war ein Familienbetrieb, der von Wenzel Hartl, dem Vater von Karl, als Sägewerk gegründet wurde. Unter den Nazis blühte das Unternehmen so richtig auf: Wehrmachtssiedlungen, Kinos, Truppenunterkünfte, RAD-Lager, Parteilokale, 'Sturmheime' für die SA, Baracken für Kriegsgefangene und Zwangsarbeiter...“
Hartl soll beispielsweise bei der Errichtung des Truppenübungsplatzes und der Siedlung für Offiziere in Allentsteig sehr gut verdient haben.
„In Echsenbach wurden auch jüdische Zwangsarbeiter aus dem KZ eingesetzt. Einige Tote wurden irgendwo verscharrt, Nachfragen der Israelitischen Kultusgemeinde blieben nach dem Krieg erfolglos. Die Arbeiter von Hartl stellten die Kerntruppe aller Parteiorganisationen, vor allem der SA. Der Volkssturm wurde von den Betriebsleitern von Hartl kommandiert. Viele der Hartl-Nazis stammten aus Allentsteig.“3
________ 11. Juli 2018:
Hatte gestern meinen ersten Besuch im Dokumentationszentrum des Österreichischen Widerstandes. Keine Ahnung, warum ich solange gebraucht habe, dort hinzufinden.
Von Karl Zimmel liegt dort unter der Signatur 10.208 das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien vom 29. September 1944 gegen ihn auf:
„Im Namen des Deutschen Volkes! [...]
Der Angeklagte Karl Zimmel hat während des Jahres 1943 in Echsenbach fortgesetzt öffentlich gegenüber Arbeitskameraden wehrkraftzersetzende Äusserungen gemacht und mit Kriegsgefangenen verbotenen Umgang gepflogen. Er wird deshalb zu einer Gesamtstrafe von vier (4) Jahren Zuchthaus und zum Ersatz der Verfahrenskosten verurteilt.“4
Man erfährt in diesem Dokument, dass Zimmel tschechischer Staatsangehöriger war, verheiratet war und für drei Kinder zu sorgen hatte.
Äusserungen, die er vor seinen Denunzianten unter vier Augen machte, wurden ihm als öffentlich getan ausgelegt, weil „der Angeklagte damit rechnen musste, dass sie von den Anhörenden nicht für sich behalten, sondern weitergegeben würden".
Zimmel hatte noch Glück, denn wäre sein Fall vor den Volksgerichtshof gekommen, hätte er vielleicht das Jahr 1944 nicht überlebt. Es wäre interessant zu erfahren, was nach Kriegsende aus ihm geworden ist. Er gehörte zu den Mutigeren aus unserer Mitte!
________
1) Robert Kurij, Nationalsozialismus und Widerstand im Waldviertel. Die politische Situation 1938-1945 (Horn 1987) 122.
2) Maria Theresia Litschauer, Architekturen des Nationalsozialismus (Wien 1012) 33-40. Von der selben Autorin: https://www.sammlung-spallart.at/de/sammlung/684/
3) Onlineressource: https://nie-wieder-gau-wien-niederdonau.webnode.at/echsenbach-no/
4) DÖW, Signatur 10.208.
Dieser Eintrag wurde verfasst am 09 Jul 2018 um 16:30 von prinzeps und ist abgelegt unter Gmünd, Geschichte des Nationalsozialismus, Opfer des Nationalsozialismus.
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