« Karl Zimmel aus Rottenschachen, heute Rapšach | Opfer des Nationalsozialismus im Lainsitztal » |
Pfarrer Anton Weissensteiner in Großpertholz
Momentan steht mir als einzige Quelle dazu Robert Kurijs "Nationalsozialismus und Widerstand im Waldviertel" aus dem Jahr 1987 zur Verfügung.1 Im Lauf des Sommers hoffe ich Originaldokumente zum Prozess einsehen zu können. Vielleicht geben diese ja auch einen ungewollten Einblick in die Struktur eines Waldviertler Dorfes zu Zeiten des Autoritären.
Nach Kurij stammt Weissenteiner aus Eichberg in unserem Bezirk. In einer Predigt in Großpertholz vom 20. April 1941, am "Führergeburtstag", soll er den Niedergang des Glaubens in der damaligen Zeit beklagt haben: während man früher aufragende Burgen gebaut habe, baue man jetzt nur noch Bunker. Daraufhin sei er denunziert und in Folge das erste Mal verhaftet worden. Anscheinend wurde er bis zur Verhandlung wieder freigelassen, denn erst ein weiterer Vorfall brachte ihn in noch ärgere Bedrängnis. Von einem Schüler im Religionsunterricht verhöhnt, vergaß er jede Vorsicht und kritisierte den Nationalsozialismus fundamental, wurde dabei von Oberlehrer Karl Mödlagl belauscht und gestellt. Weissensteiner wurde wieder angezeigt, verhaftet und schließlich am 19. Dezember 1941 in Krems zu 18 Monaten Gefängnis verurteilt. Er verbüßte die volle Strafe, musste danach Großpertholz verlassen und kam nach Spital bei Weitra. Ob er sich im Geburtsort von Hitlers Mutter wohl gefühlt hat?
________14.07.2018
Im Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstandes gibt es das Dossier zu Weissensteiner2 noch, aber es ist nicht mehr sehr reichhaltig. Anscheinend hatte Kurij bei der Verfassung seines Buches noch mehr darin vorgefunden. Dieser Akt enthält heute hauptsächlich Dokumente, die anlässlich des Ansuchens Weissensteiners auf Haftentschädigung Anfang der 50er Jahre angefallen sind, unter anderem einen Brief vom Sekretariat der bischöflichen Klerusstellen, den ich hier gerne wiedergeben möchte, da er doch Licht auf einige Umstände wirft:
Wien, den 30. 12. 1952
Lieber Freund!
Reichlich spät, zum Glück noch nicht zu spät, bewirbst du dich um eine Amtsbescheinigung. Schicke also den Heimatschein, gleichgültig, von welcher Gemeinde er ausgestellt ist, und einen Wohnungsnachweis, der von der Gemeinde in Spital zu bekommen ist, stempelfrei nach Gmünd. Die Staatsbürgerschaft ist durch den Heimatschein ohnehin nachgewiesen. Wegen des Nachweises Deines Einsatzes für ein freies und demokratisches Österreich habe ich soeben an Deinen ehemaligen Verteidiger Dr. Saahs geschrieben. Er wird Dir schicken, was du brauchst. Die paar Schilling wirst Du ihm gerne bezahlen, da Du für jeden in der Haft verbrachten Monat 431 S erhältst. Du bist zu 18 Monaten verurteilt worden. Abgeholt hat Dich die Gestapo am 11.7.1941, Verhandlung war am 19.12.1941. Im Krankenhaus warst Du interniert von Anfang Oktober 1941 bis 1.7.1942. Diese Zeit gilt vielleicht auch als Haft. Wie lange Du in Landsberg warst, weiß ich nicht. Die Untersuchungshaft, die am 25.7.1941 begann, wird wohl in die 18 Monate eingerechnet werden. Somit hat Deine Strafzeit am 25.1.1943 geendet. Wieviel Dir erlassen wurde, weiß ich nicht. Hoffentlich hast Du noch Nachweise für die bezahlten Haft- und Gerichtskosten zur Hand.
Sobald Du die Amtsbescheinigung hast. lässt Du Dir Deine Lohnsteuerkarte von der Finanzkammer schicken und gehst mit beiden zum Steueramt behufs Abschreibung von monatlich 364 S Freibetrag. Als 70jähriger kannst Du außerdem einen Freibetrag für den Unterhalt der Haushälterin verlangen. Somit wird Deine Lohnsteuer ganz minimal werden. Schreibe, wenn Du Dich bei etwas nicht auskennst.
Glückliches neues Jahr und viele Grüße.
D F Draxler [eigenhändig]
Für die Haftentschädigung brauchte man nach dem „Bundesgesetz vom 4. Juli 1947 über die Fürsorge für die Opfer des Kampfes um ein freies, demokratisches Österreich und die Opfer politischer Verfolgung“ eine sogenannte Amtsbescheinigung, diese wollte Weissensteiner sich 1952/53 ausstellen lassen. Er ist am 24. März 1878 geboren, zu dieser Zeit schon im 75. Lebensjahr, darauf spielt Draxler an.
Man findet die Daten der Festnahme, der Haft und eines neunmonatigen Spitalsaufenthaltes. Laut einem weiteren Dokument im Dossier war Weissensteiner so schwer akut herzkrank, dass er aus der Haft entlassen werden und wegen Todesgefahr ins Krankenhaus Gmünd eingeliefert werden musste. Die Verhandlung fand demnach ohne ihn statt.
Nach seiner Genesung scheint Weissensteiner in der berüchtigten Gefangenenanstalt Landsberg in Haft gewesen zu sein!
________15.07.2018
Ende 1952, Anfang 1953 suchte Weissenteiner um Entschädigung für die wegen seiner mutigen Aussagen zum Nationalsozialismus erlittene 18monatige Haft. Ich hoffe, dass er diese noch rechtzeitig bekam. Im Index des Sterbebuches von Spital/Weitra fand ich heute diesen Eintrag:
Weissensteiner hatte kaum noch drei Jahre zu leben!3
Aufruf: Falls jemand nähere Informationen zu Pfarrer Weissensteiner hat, dann bitte ich dringend um einen Kommentar!
________
1) Robert Kurij, Nationalsozialismus und Widerstand im Waldviertel. Die politische Situation 1938-1945 (Horn 1987) 94-97.
2) DÖW 13.660. Kurij zitiert in seinem Buch auch aus Vernehmungsprotokollen, dieses sind definitiv nicht mehr im DÖW-Dossier vorhanden.
3) Sterbematrik Spital <online>
Dieser Eintrag wurde verfasst am 06 Jul 2018 um 17:38 von prinzeps und ist abgelegt unter HeimatForschung, Opfer des Nationalsozialismus, Großpertholz, Spital bei Weitra.
Noch kein Feedback
Formular wird geladen...