Kapitolinische Gänse auf dem Gansberg?

Die erste Stadt an der Lainsitz ist Weitra, und dies nicht nur im geographischen Sinn. Hadmar II. hat sie um das Jahr 1200 planmäßig anlegen lassen. Was ihn dazu bewog, den Ort vom heutigen Alt Weitra hierher zu verlegen, ist nicht bekannt. Dort, wo heute das Schloss steht, befand sich die Kuenringsche Burg.

Von Weitra aus ließ Hadmar wohl das obere Lainsitztal roden und mit Kolonen besiedeln. Über Schützenberg, Graben bzw. Langfeld, Roßbruck, Lainsitz (St. Martin) erweiterte er sein Territorium, bis er vor Steinbach die Grenze seines ihm zugewiesenen Gebietes erreichte. Von Roßbruck aus ging es über die Rörndlwies in das Tal hinter dem Wachberg, das nach ihm "Harmanschlag" benannt wurde.

Merkwürdigerweise legte er die Burg zu Weitra auf einem Felsen an, der keineswegs die Gegend nach allen Richtungen überragt! Gerade ins obere Lainsitztal ist der Blick versperrt.

Versucht man umgekehrt von St. Martin, dem ehemaligen Lainsitz aus, nach Weitra Sichtkontakt zu bekommen, indem man den westlichen Hang immer weiter hinaufsteigt, so sieht man, wie ein hell bewachsener Berg irgendwo vor Weitra die Burg überragt oder sogar verdeckt.

An einem Feiertag nahm ich mir vor, diesen Hügel aufzusuchen, den ich in Schützenberg vermutete. Doch in Schützenberg ist kein Berg, der über die Langfelder Ebene hinausragt! Erst knapp vor Weitra türmt er sich auf: es ist der so genannte Gansberg! Ich stapfte über die feuchten Wiesen von der Bundesstraße zum Fuß des Hügels, wo sich Bienenkobel befinden und stieg den steil nach Süden abfallenden Hang, der sonderbarerweise nur mit Eichen bewachsen ist, hinauf. Genau dort, wo die Sicht hinauf ins Lainsitztal am besten ist, tauchte plötzlich vor mir eine alte Steinmauer auf, gut erhalten, ohne Mörtel zusammengefügt, roh und archaiisch. Die  Mauer scheint dazu da zu sein, an der Kante eine waagrechte Fläche zu ermöglichen, ein Plateau zu bilden. Ich ging von der Mauer weiter nach hinten Richtung Weitra und stellte auf dem gesamten Areal am Gipfel des Hügels Veränderungen der natürlichen Bodenform fest. Bald tauchte vor mir das Weitraer Schloss auf, und genau dort, wo das flache Stück nach Weitra hin abzufallen beginnt, findet sich ebenso ein künstlich angelegt scheinendes Plateau!

Vielleicht ist das Ganze nur das Ergebnis von bäuerlichen Maßnahmen, um die Feldstreifen, die von Weitra herauslaufen, möglichst weit in den Wald vorschieben zu können. Vielleicht handelt es sich um Bauten, die im Zuge des 30jährigen Krieges im 17. Jh. entstanden. Vielleicht ist es aber doch eine mittelalterliche Befestigungsanlage, die bisher nicht beachtet worden ist!

Der Name des Berges, Gansberg, könnte nämlich einen tieferen Sinn haben: In der Sage waren es die heiligen Gänse der Juno auf dem Kapitol, die Rom vor der Stürmung durch die gallischen Belagerer bewahrt, indem sie rechtzeitig Alarm geschlagen hatten! Es lässt sich belegen, dass Gänse auch im Mittelalter tatsächlich bei der Überwachung von Burgen eingesetzt worden waren. Vielleicht ist die alte Bezeichnung "Gansberg" also ein Hinweis darauf, dass sich hier wirklich einmal ein Wachposten befunden hat!

Die Sicht von diesem Berg ist jedenfalls einmalig: Hinauf ins Lainsitztal, Wachberg, Harmanschlager Gemeindeberg, Nebelstein, hinüber nach Reinprechts, hinunter zur Weitraer Burg, nach Unser Frau, zum Waller, vielleicht von einem Turm aus sogar zum Turm der Hadmarschen Kirche in Alt Weitra, zum Friedrichshof, Galgenberg, zum Mitterbühel hinter St. Martin, ja man kann theoretisch sogar den Leuten im Freibad von St. Martin zuschauen.

Bildbeschreibung:

1) Weitra vom Gansberg aus
2) Auf dem südlichen Plateau
3) Merkwürdige Mulden am Scheitel des Hügels
4) Detail der Mauer
5) Das nördliche Plateau
6) Der Gansberg von Weitra aus


Hier bekommen Sie ein hoch auflösendes Bild der Mauer
Onlinekarte des Gansberg