« Fadenscheiniger Strafakt / Straflos in Bad Mergentheim? | 1946 bis 1955: Fahndung nach Adolf Neugschwandtner » |
1955: „kein Grund zu einer weiteren Verfolgung“
Der Akt zum Volksgerichtsverfahren gegen Adolf Neugschwandtner wirkt irgendwie befremdlich. Er trägt zum Beispiel eine Aktenzahl aus dem Jahr 1955, das Verfahren wurde also in diesem Jahr neu aufgesetzt, aber anscheinend nur, um es wegen der in der Zwischenzeit geltenden Amnestien und Gesetzesänderungen auch sofort beenden zu können, ohne dass man Neugschwandtner auch nur wenigstens aufgestöbert hätte. Eine gewisse innerfamiliäre Ungerechtigkeit liegt jedenfalls in diesem Fall, denn der Bruder von Adolf, Sepp, war zwar auch nicht unschuldig, bewegte sich jedoch nicht annähernd in den Sphären wie Adolf, versteckte sich nicht nach dem Krieg, stellte sich seiner Verantwortung und wurde schließlich zu einem Jahr Gefängnis verurteilt, währenddessen Adolf untertauchte und 1955 schließlich sozusagen amtlich amnestiert wurde und keinen Tag Gefängnis erleben musste.
Aber eins nach dem anderen:
Die Staatsanwaltschaft Wien ersucht am 19. April 1955 um folgende Erhebungen:
Beischaffung der Strafkarte, Leumundserhebungen am letzten Wohnort, Anfrage an das BMI, Abt. II und „Widerruf der Ausschreibung“.1
Schon am 3. Mai 1955 widerruft das Landesgericht für Strafsachen Abt. VG 8 die Ausschreibung im staatspolizeilichen Fahndungsblatt 1119/46 „über Antrag der Staatsanwaltschaft Wien vom 19.04.1955. (letzte Anschrift: Krems a.d.D., Dienstlstraße 14.)“.2
Dann ist im Akt eine Karte, welche der Zusendung des Gauaktes durch das BMI an das Volksgericht beigelegt war:
„In der Anlage wird der Gauakt 146.367 (21 Blatt) betr. Adolf Neugschwandtner (20.4.1901) zur Einsichtnahme mit dem Ersuchen um ehesten Rückschluss übermittelt.
In den Unterlagen bei der Polizeidirektion Wien, Abt. I, unter Zl ZE 34.089/46, wird der Genannte als Angehöriger der österr. Legions-SA seit Sept. 1925 als Obersturmbannführer und Mitglied der NSDAP (Migl.Nr. 52.118) seit März 1925 beschrieben. 13. Mai 1955“
Am 3. Oktober 1955 schreibt schließlich die Staatsanwaltschaft Wien an den Untersuchungsrichter im Landesgericht für Strafsachen, „dass kein Grund zu einer weiteren Verfolgung des Adolf Neugschwandtner wegen §§ 10, 11 VG 1947 gefunden wird (§ 90 StPO, Entschließung des Bundespräsidenten vom 19.9.1955). Beigefügt wird, dass der Adolf Neugschwandtner betreffende Gauakt vom Bundesministerium für Inneres, Generaldirektion für die öffentliche Sicherheit, zurückbehalten wurde.“
________
1) Wiener Stadt- und Landesarchiv (WStLA), Landesgericht für Strafsachen, Vg 8e Vr 105/55, Blatt 1.
2) Ebd., Blatt 31.
