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Bericht einer Frau im Reichsarbeitsdienst über Spital bei Weitra
Gehen wir mit einer jungen Wienerin in den Reichsarbeitsdienst nach Spital bei Weitra:
"In Weitra musste ich vom Bahnhof ein gutes Stück, etwa drei Kilometer, zu Fuß gehen, bevor ich nahe der kleinen Ortschaft Spital das Barackenlager des Reichsarbeitsdienstes erreichte, wo ich die nächsten Monate verbringen sollte. In der reizvollen Landschaft des Waldviertels, dicht an den Rand eines der typischen kleinen Hügel gerückt, aus denen riesige Granitblöcke ragen, die von alten Bäumen beschattet werden, standen die Holzbauten."
Hier ihr Augenzeugenbericht aus einem Bauernhof:
"Nach wenigen Tagen Einschulung begann für uns die Arbeit bei den Bauern. Wir sollten tagsüber sowohl bei der Feld- als auch bei der Hausarbeit helfen. Von Hygiene wussten die Waldviertler Bauern damals noch nicht viel, und unsere Aufgabe bestand daher unter anderem auch darin, in dieser Hinsicht aufklärend zu wirken. Einiges ergab sich dabei fast von selbst, denn wir Arbeitsmaiden hatten das Recht, von eigenen Tellern zu essen, nicht aus einer gemeinsamen Schüssel.
Das Anwesen, in dem ich meine Arbeit beginnen sollte, lag am Rande des Dorfes. Ställe und Nebengebäude erschienen mir durchaus ansehnlich, das Wohnhaus aber war winzig klein. Es bestand nur aus einem geräumigen Vorraum und einer großen Stube, in der sich nicht nur ein mächtiger Schrank, der Herd und ein langer Tisch mit vielen Stühlen befanden, sondern auch ein ausladendes Doppelbett. Offensichtlich hielt sich die Familie hier Tag und Nacht auf, denn ich sah keine anderen Räume.
Zuerst wagte es die Bäuerin nicht, mir Arbeit zu schaffen, obwohl es an dieser nicht mangelte. In der Ecke neben dem Herd befand sich ein ganzer Berg schmutzigen Geschirrs, und so beschloss ich, vorerst dieses zu reinigen. Aber im Vorhaus, wo die Bäuerin sonst diese Arbeit verrichtete, hielt ich es nicht aus. Hier bewahrte sie auch das eingesurte Fleisch auf, und dieses stank derart penetrant, dass ich kurz entschlossen das Geschirrschaff auf die Straße trug, es auf der Hausbank abstellte und hier mit der Arbeit begann. Ich säuberte auch das Essbesteck, das bisher von den Familienmitgliedern nur abgeleckt, ins Tischtuch gewischt und in die entsprechende Lade gelegt worden war.
Die Bäuerin ließ mich gewähren, also versuchte ich, auch sonst etwas Sauberkeit in das Haus zu bringen. Ich fegte das Vorhaus und die Stube, wusch die Kinder und zog ihnen frische Kleidung an. Kaum aber hatte ich versucht, das Bett frisch zu überziehen, wehrte die Bäuerin entsetzt ab. Das Bett durfte nur sie berühren, es war ihr intimster Bereich, hier schlief sie mit der ganzen Familie. Zwischen ihr und dem Bauern lag das jüngste Kind, neben ihnen und am Fußende des Bettes ruhten die anderen, kreuz und quer liegend. Ein eigenes Bett für jedes Familienmitglied war ihr unvorstellbar."
Die Hühner fraßen die Fingerspitze
Irene Hudler, geboren 1925, Wien
Aus: Erlebte Geschichte Niederösterreich (St. Pölten/Wien/Linz 2004) 76-82