Kategorien: "HeimatForschung"
Kaufvertrag Juli 1941
November 6th, 2011Der Kaufvertrag vom 31. Juli 1941 (Dokument 1944/450 Grundbuch Gmünd) erwähnt in keinem Wort das Sägewerk, das Herrenhaus oder auch nur das allerkleinste Bauwerk! Karl Egon Fürstenberg („S.D. Karl Egon Erbprinz und Landgraf zu Fürstenberg“) verkauft darin die etwa 5 ha große Liegenschaft um insgesamt 2 461 Reichsmark an das „Verkaufsbüro ostmärkischer Waldbesitzer, registrierte Genossenschaft mit beschränkter Haftung in Wien III. Schwarzenbergplatz Nr.6“.
Laut Wikipediaeintrag Deutsche Währungsgeschichte entspräche der Kaufpreis heute in etwa 10 000€.
Soweit ist alles korrekt abgelaufen! Die Ostmärkische besitzt also ab 1941 den Grund und Boden, auf dem unser Sägewerk und alle Zusatzgebäude stehen. Warum Fürstenberg für nicht gerade sehr viel Geld fünf Hektar aus seinem Fideikommissgut herausschneiden lässt und einer Wiener Genossenschaft verkauft, müssen wir wohl aus anderen Quellen herauszufinden versuchen. Vielleicht war er selbst Genossenschafter der Ostmärkischen, vielleicht gab es Nebenabsprachen oder außervertragliche Zahlungen, um die Steuer zu mindern.
Grundbuch: Harmannschlag Einlagezahl 116
November 4th, 2011Anfang September schon war ich in Gmünd, um mir die Liegenschaft im Grundbuch anzuschauen. Damals wusste ich noch nicht, dass für "adeligen" Grundbesitz eigentlich die Landtafel zuständig wäre. Aber mit dem Verkauf an die "Ostmärkische" ist 1944 auch im bürgerlichen Grundbuch eine Einlage angelegt worden.
Hier die für die Arisierung wichtigen Einträge:
Zur Liegenschaft gehören die Parzellen
Postz. | Katastralzahl | Bezeichnung |
1 | 126 | Baufläche |
2 | 127 | Baufläche |
3 | 128 | Baufläche |
4 | 129 | Baufläche |
5 | 130 | Baufläche |
6 | 131 | Baufläche |
7 | 1586 | Wald |
8 | 1588 | Werkplatz |
9 | 1587/2 | Hutweide |
10 | 1640/2 | Werkplatz |
Im Gutsbestandsblatt wird gleich unter dieser Aufzählung das fremde Eigentum an den Bauwerken auf diesem Grund vermerkt:
25. 5. 1944 - 450. Für die von der Landtafeleinlage Zl. 461 abgeschriebenen Grundstücke Postz. 1 bis 10 diese Einlage eröffnet. Mitübertragen nachstehende Eintragung: 8.5.1929 Rv 339. A.Bg.Nr.7/1928: die Errichtung je eines Bauwerkes im Sinne des §435AbGB auf den Bauflächen 126 bis 131 angezeigt.
Man erwähnt die Meldung der Gemeinde mit dem bekannten Anmeldebogen Nr.7/1928, nennt den Eigentümer der Bauwerke hier aber nicht. Es musste aber jedem weiteren Käufer klar sein, dass die Gebäude nicht zum Grundstück gehören und vom Eigentümer extra erworben werden müssten, sollte man sie auch besitzen wollen.
Besonders interessant wird das Eigentumsblatt, weil wir erfahren, wer denn nun das Grundstück erworben hat:
Postz. | Eintragung | Anteile |
1 | 25.5.1944 – 450. Kaufvertrag vom 31.7.1941 u. Kaufvertragsnachtrag u. Aufsandungserklärung vom 16. 7. 1943: Das Eigentumsrecht für die Ostmärkische Holzverwertung Dipl. Forst.-Ing. Timmel, Kommanditgesellschaft einverleibt. |
- |
2 | 25. Juni 1949, 236. Auf Grund des Rückstellungsübereinkommens vom 22. Dezember 1948 wird das Eigentumsrecht einverleibt für die Verkaufsbüro österreichischer Waldbesitzer registrierte Genossenschaft mit beschränkter Haftung zur Gänze |
1/1 |
3 | 11.April 1951, 159. Auf Grund des Beschlusses des Handelsgerichtes Wien vom 23.2.1951, Gen. 31/230-22 wird die Änderung in „Genossenschaft österreichischer Waldbesitzer, Holzwirtschaftsbetriebe, registrierte Genossenschaft mit beschränkter Haftung“ angemerkt. |
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4 | 7. Feber 1967, 246. [zwei private Käufer erwerben die Liegenschaft je zur Hälfte] |
Die Nummern hinter den Datumsangaben beziehen sich auf zugehörige Dokumente in der Dokumentensammlung. Es wird spannend werden, die jeweiligen Kaufverträge zu studieren und mehr über die Hintergründe der Arisierung zu erfahren!
Es steht im Grundbuch: Das Sägewerk gehörte Löwy und Winterberg!
Oktober 30th, 2011Das Eigentumsrecht der Firma Löwy und Winterberg am Sägewerk Joachimstal heute noch juristisch eindeutig zu belegen, erschien mir aussichtslos, nachdem ich erfahren hatte, dass das Grundbuch für adelige Besitztümer, die NÖ Landtafel, mit dem Brand des Wiener Justizpalastes 1927 zerstört worden war. Ich pilgerte trotzdem ins Wiener Landesarchiv, um die Grundbucheinlage Nr. 461, das Fideikommissgut Weitra, nach potenziellen Hinweisen zu sichten.
Manchmal will die Geschichte nicht, dass etwas vergessen wird: Die Gemeinde Harmannschlag schickte tatsächlich erst 1928, also ein Jahr nach dem Brand, einen das Sägewerk betreffenden Anmeldungsbogen für die Abänderung des Verzeichnisses über landtäfliche Liegenschaften nach Wien, wo er mit dem Datum 8. Mai 1929, Reihungsvermerk 339 registriert werden konnte und der Nachwelt erhalten blieb!
Unter den Nummern 13 und 14 ist verzeichnet:
Laut des Anmeldungsbogens Nr. 7 vom Jahre 1928 der Katastralgemeinde Harmannschlag sinda) auf Teilen des Grundstückes Nr. 1586 die Baufläche Nr. 130,
b) auf Teilen der Grundstücke Nr. 1586 und Nr. 1587 je Wald, die Baufläche Nr. 129,
c) auf Teilen des Grundstückes Nr. 1587 Wald die Bauflächen Nr. 128 und Nr. 131,
d) auf Teilen der Grundstücke Nr. 1588 und Nr.1640 je Wald die Baufläche Nr. 127 und
e) auf Teilen des Grundstückes Nr. 1640 Wald die Baufläche Nr. 126
entstanden und wurde
die Errichtung von Bauwerken im Sinne des § 435 abGB auf den Bauflächen Nr. 126, Nr. 127, Nr. 128, Nr. 129, Nr. 130 und Nr. 131 angezeigt.
Mit dem Bezug auf §435 ABGB (temporäre Bauwerke, nicht im Eigentum des Grundstücksbesitzers) wäre damit wenigstens zu beweisen, dass die genannten Bauwerke nicht im Eigentum von Fürstenberg standen, der wahre Eigentümer wird hier aber leider nicht genannt.
Da das Landesarchiv in Wien nur eine Abschrift der NÖ-Landtafel besitzt, wandte ich mich an das NÖ-Landesarchiv in St. Pölten. Dort fand sich der Anmeldungsbogen der Gemeinde Harmannschlag aus dem Jahr 1928 im Original. Würde er einen Beweis liefern, dass die Bauwerke Löwy und Winterberg gehörten?
Ja, hier findet sich der eindeutige, explizite Beweis dafür! Als Grund für die Grundbuchsänderung wird angegeben:
Neubauten – die auf den Bauflächen … 126, 127, 128, 129, 130 u. 131 stehenden Gebäude gehören der Firma "Löwy und Winterberg in Prag".
Damit ist auch heute noch grundbücherlich zu belegen, dass das Sägewerk und die dazugehörenden Gebäude Ende der 20er Jahre eindeutig im Besitz unserer Prager Firma waren! Wie sie in die Hände der Genossenschaft österreichischer/ostmärkischer Waldbesitzer gekommen sind, das aufzuklären, wird noch eine andere Geschichte!
Die Firma Löwy und Winterberg in ihrer Selbstdarstellung 1928
Oktober 26th, 2011Ich habe diese Festschrift zum ersten Mal als Fotokopie von Markus Lassl erhalten und bleibe ihm dafür für immer dankbar. Leider konnte ich lange kein Original auftreiben, das man hätte publizieren können.
Seit kurzem aber liegt diese Festschrift mit Golddruck auf sattgrünem Einband auf meinem Schreibtisch und ich bin stolz, sie hiermit einem weiteren Kreis zugänglich machen zu können:
Auf Seite 51/52 der pdf-Kopie bzw. S.20 und Tafel XXVI finden Sie die Dampfsägewerke Joachimstal und Schwarza beschrieben und abgebildet.
Die Firma Löwy und Winterberg bei Kafka
Oktober 26th, 2011Die Firma ist heute zumindest noch aus den Briefen und Tagebüchern Franz Kafkas bekannt. So schrieb er im Jahr 1913 an Felice Bauer u.a.:
"Wer hat denn in Prag schon Parlographen? Löwy und Winterberg ist freilich eine große Fa., die drittgrößte Holzhandlung Böhmens soviel ich weiß; ich hatte auch schon geschäftlich mit ihr zu tun. Zwing ihr nur den Parlographen auf, Du liebste Geschäftsfrau."
Der Parlograph war ein gerade erst eingeführtes, modernstes Diktiergerät, das auf einer Wachswalze Ton aufnehmen und wieder abspielen konnte, und Löwy und Winterberg war wegen seiner Größe einer der wenigen potentiellen Abnehmer in Prag.
Ein Satz aus seinem Tagebuch vom 11. 11. 1911 diente vielen Germanisten zur Analyse Kafkas:
"Die von ihren Arbeitschürzen besonders hinten fest umspannten Mädchen. Eine bei Löwy und Winterberg heute vormittag, bei der die Lappen der nur auf dem Hintern geschlossenen Schürze, sich nicht wie gewöhnlich aneinanderfügten, sondern über einander hinweggingen, so dass sie eingewickelt war wie ein Wickelkind."
Und man findet bei Kafka eine Beschreibung des Chefs der Firma im Tagebucheintrag ein paar Wochen vorher:
"heute früh bei Löwy u. Winterberg. Wie sich der Chef mit dem Rücken seitlich in seinen Lehnstuhl stemmt, um Raum und Stütze für seine ostjüdischen Handbewegungen zu bekommen. Das Zusammenspiel und gegenseitige Sichverstärken des Hände- und Mienenspiels. Manchmal verbindet er beides, indem er entweder seine Hände ansieht oder sie zur Bequemlichkeit des Zuhörers nahe beim Gesicht hält. Tempelmelodien im Tonfall seiner Rede, besonders beim Aufzählen mehrerer Punkte führt er die Melodie von Finger zu Finger wie über verschiedene Register."
Wir werden später erfahren, wer dieser Chef gewesen sein könnte.