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Fadenscheiniger Strafakt / Straflos in Bad Mergentheim?

Juni 24th, 2018

Der Akt zum Volksgerichtsverfahren gegen Adolf Neugschwandtner1 wirkt befremdlich. Seine Aktenzahl stammt aus dem Jahr 1955, zehn Jahre „Danach“, das Verfahren wurde damals neu aufgenommen, aber anscheinend nur, um es wegen der in der Zwischenzeit geltenden Amnestien und Gesetzesänderungen gleich wieder beenden zu können. Ohne dass man Neugschwandtner jemals aufgestöbert, geschweige man ihm den Prozess gemacht hätte! Eine gewisse innerfamiliäre Ungerechtigkeit liegt ganz besonders in diesem Fall, denn der Bruder Adolfs, Sepp, war zwar nicht unschuldig, bewegte sich jedoch nicht annähernd in den NS-Sphären von Adolf, versteckte sich nicht nach dem Krieg, stellte sich vielmehr seiner Verantwortung und wurde schließlich zu einem Jahr Gefängnis verurteilt, währenddessen Adolf untertauchte, 1955 sozusagen amtlich amnestiert wurde und keinen einzigen Tag ins Gefängnis musste. Es wurde nie eine gerichtliche Untersuchung durchgeführt, in der etwaige Vergehen durchleuchtet worden wären. Er wäre allein wegen seines hohen SA-Ranges in der Verbotszeit zu einer längeren Haftstrafe verurteilt worden. Nach unüberprüfbaren Informationen ist er unter dem Namen „Adolf Neumann“ nach Deutschland geflüchtet und konnte dort bis zu seinem Tod (etwa um 1975) unerkannt und unbehelligt in der Gegend von Bad Mergentheim mit seiner Familie leben.

Aber wieder zum Volksgerichtsakt Vg 8e Vr 105/55:

Die Staatsanwaltschaft Wien ersuchte am 19. April 1955 um folgende Erhebungen:
Beischaffung der Strafkarte, Leumundserhebungen am letzten Wohnort, Anfrage an das BMI, Abt. II und „Widerruf der Ausschreibung“.

Schon am 3. Mai 1955 widerrief das Landesgericht für Strafsachen Abt. VG 8 die Ausschreibung im staatspolizeilichen Fahndungsblatt 1119/46 „über Antrag der Staatsanwaltschaft Wien vom 19.04.1955. (letzte Anschrift: Krems a.d.D., Dienstlstraße 14.)“.

Dann ist im Akt eine Karte, welche dem Gauakt bei der Zusendung durch das BMI an das Volksgericht beigelegt war:

„In der Anlage wird der Gauakt 146.367 (21 Blatt) betr. Adolf Neugschwandtner (20.4.1901) zur Einsichtnahme mit dem Ersuchen um ehesten Rückschluss übermittelt.
In den Unterlagen bei der Polizeidirektion Wien, Abt. I,  unter Zl ZE 34.089/46, wird der Genannte als Angehöriger der österr. Legions-SA seit Sept. 1925 als Obersturmbannführer und Mitglied der NSDAP (Migl.Nr. 52.118) seit März 1925 beschrieben. 13. Mai 1955“

Am 3. Oktober 1955 schrieb schließlich die Staatsanwaltschaft Wien an den Untersuchungsrichter im Landesgericht für Strafsachen,

 „dass kein Grund zu einer weiteren Verfolgung des Adolf Neugschwandtner wegen §§ 10, 11 VG 1947 gefunden wird (§ 90 StPO, Entschließung des Bundespräsidenten vom 19.9.1955). Beigefügt wird, dass der Adolf Neugschwandtner betreffende Gauakt vom Bundesministerium für Inneres, Generaldirektion für die öffentliche Sicherheit, zurückbehalten wurde.“

Im Akt liegt ein 25-seitiges Konvolut mit älteren Anzeigen und Schriftstücken ein.

Die ältesten Dokumente stammen vom 25. März 1946, nicht ganz ein Jahr nach der Befreiung Österreichs vom Nationalsozialismus. Ein Herr Freis vom Referat I/C in der Polizeidirektion Wien notiert unter dem Betreff Alois Neugschwandtner:

„Erhebungsbericht.
Nach Aussagen des SA-Sturmbannf. Amann war der Posten des Führers der SA-Brigade 92 von SA-Brigadef. Adolf Neugeschwandtner [so!] besetzt.
Die Erhebung ergab, dass N. am 20.4.1901 in Storwitz [richtig Strobnitz] bezw. Grotzen [richtig Gratzen] geb., gesch., ggl., als SA-Brigadef. in Wien I., Reichsratstrasse 8/32 gemeldet, im Hause als SA-Brigadef. bekannt und geflüchtet ist.“

Am selben Tag schreibt Freis noch eine Anfrage an das BMI, Abt. 2, betreffend Adolf Neugeschwandtner, ob dort Unterlagen über dessen Verhältnis zur NSDAP vorhanden sind, man führe Erhebungen wegen § 10 und 11 Verbotsgesetz.

Am 2. April 1946 gibt die Polizeidirektion Wien für einen Alois Neugeschwandtner den Festnahmebefehl mit den bekannten Geburtsdaten aus.

Am 10. April, kaum eine Woche später, folgt das Fahndungsersuchen an das Staatsamt für Inneres, Abt. 2. Alois Neugeschwandtner solle im staatspolizeilichen Fahndungsblatt zur Verhaftung ausgeschrieben werden, da er im Verdacht stehe, sich während der Verbotszeit des Hochverrats schuldig gemacht zu haben. Dem Ersuchen folgte der Eintrag im Fahndungsblatt 11/1946 mit der Nummer 1119. (Siehe älteren Beitrag.)

Eine zweite Anzeige erfolgte am 8. März 1947, diesmal von der Kriminalabteilung des Magistrates der Stadt Krems. In dieser sind erstmals Name und Geburtsort richtig!

„Nr. 789a46 / Ra.
Anzeige wegen Verbotsgesetz §§ 10,11,12.
Bezug: ohne.

Anzeige. 1. Nationale:

Neugschwandtner Adolf, am 20.4.1901 in Strobnitz, - Bezirk Budweis, CSR. geboren, zuständig nach Langschlag, Bezirk Zwettl, N.Ö., österr. Staatsbürger, hauptamtlicher SA.-Führer, in Krems a.d. Donau, Dienstlstrasse 14 wohnhaft gewesen, derzeit unbekannten Aufenthalt, weitere Nationale unbekannt.

Tatgeschichte.

a) Darstellung der Tat:

Adolf Neugschwandtner war SA.Brigadeführer der SA.-Gruppe Donau Wien und ist Träger des Blutordens der NSDAP. sowie der Erinnerungsmedaille an den 13. März 1938.

b) Beweismittel:

Adolf Neugschwandtner ist am 14.1.1939 von Wien X., Fasergasse 23-29 nach Krems a.d.Donau zugezogen und war bis zum Jahre 1940 in Krems a.d. Donau, Dienstlstrasse 14 wohnhaft. Laut Vermerk beim polizeilichen Meldeamt der Stadt Krems war der Genannte hauptamtlicher SA.-Führer und ist am 28.5.1940 nach Stammersdorf zur Wehrmacht eingerückt.

Über eine illeg. Parteizugehörigkeit und Tätigkeit des Neugschwandtner konnte nichts ermittelt werden, da derselbe während seines Aufenthaltes in Krems in den Kanzleiräumen der SA.-Brigade wohnhaft war und daher sehr wenig unter der Bevölkerung bekannt war. Als einzige Zeugin konnte die in Krems a.d. Donau, Dienstlstrasse Nr. 6 wohnhafte Marie Hasenzagel ausgeforscht werden, welche für kurze Zeit während der Kriegsjahre Aufräumungsarbeiten in den Kanzleiraumen der SA.-Brigade durchführte und dadurch den Beschuldigten näher kannte. Dieselbe gab nach Befragen an, dass Neugschwandtner der SA.-Gruppe Donau-Wien IV. (Prinz Eugenstraße 36) angehörte, hauptamtlicher SA.- Führer war und den Blutorden der NSDAP sowie die Erinnerungsmedaille an den 13. März 1938 besaß.

Da Adolf Neugschwandtner derzeit unbekannten Aufenthaltes ist, wurde am 8. März 1947 von ha. dem Staatsamt für Inneres ein Fahndungsersuchen zwecks Verhaftung des Genannten vorgelegt.

An den Hr. Bürgermeister der Stadt Krems a.d. Donau in Krems / Donau. Vorstehende Anzeige wird zur gefälligen Kenntnisnahme und mit der Bitte um weitere Veranlassung überreicht.

Der Sicherheitsreferent: [gez.]  Leiter der Kripo.Abt.: [gez.]“

Dem erwähnten Ersuchen wurde durch den Eintrag im Fahndungsblatt Nr 9, StaPo 1947 unter der Nummer 754 entsprochen. (Siehe älteren Beitrag.)

Viel mehr ist nicht im Akt vorhanden. Mit der letzten Erwähnung im Völkischen Beobachter am 28. August 1944 verliert sich die Spur Adolf Neugschwandtners. Der Anlass, eine Kundgebung des Kampfwillens in St. Pölten, liest sich wie der letzte Akt einer Wagnerschen Oper:

„In zahlreichen Stürmen waren die Männer der Stadtortsgruppen St. Pöltens zum ersten Appell der Kriegshilfsmannschaften auf dem Trabrennplatz angetreten. Tausende deutscher Männer waren dem Rufe gefolgt und stellten sich in Reih und Glied. Auch wegen ihres Alters nicht mehr teilnahmepflichtige Männer und Körperbehinderte waren erschienen. So gestaltete sich der Aufmarsch der Kriegshilfsmannschaften zu einer Demonstration der Einsatzbereitschaft aller deutschen Männer von St. Pölten. Kreisleiter Mühlberger war in Begleitung von SA.-Brigadeführer Neugschwandtner erschienen, um zu den Männern dieser Kampfgemeinschaft der Heimat zu sprechen.“ (Völkischer Beobachter, 28. August 1944)

Der große SA-Brigadeführer erscheint noch einmal bei der Mobilisierung der Alten und Behinderten für den totalen Krieg.3 Vielleicht waren auch Jugendliche und halbe Kinder dabei, so wie es beim Volkssturm üblich war. Schickt noch die letzten als männlich erkennbaren Gestalten in den Krieg verschwindet danach im Nebel der Endzeitwirren.

Falls jemandem weitere Hinweise bekannt sind, so ersucht der Autor um Zusendugen an hp@prinzeps.com oder um einen Kommentar gleich hier unterhalb des Artikels.
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1) Wiener Stadt- und Landesarchiv (WStLA), Landesgericht für Strafsachen, Vg 8e Vr 105/55.

2) Ebd., Blatt 31.

3) Das Bild eines solchen Sturmes (ohne Zusammenhang mit der St. Pöltner Kundgebung) zur Veranschaulichung in der Wiener Illustrierten.

1955: „kein Grund zu einer weiteren Verfolgung“

Juni 23rd, 2018

Der Akt zum Volksgerichtsverfahren gegen Adolf Neugschwandtner wirkt irgendwie befremdlich. Er trägt zum Beispiel eine Aktenzahl aus dem Jahr 1955, das Verfahren wurde also in diesem Jahr neu aufgesetzt, aber anscheinend nur, um es wegen der in der Zwischenzeit geltenden Amnestien und Gesetzesänderungen auch sofort beenden zu können, ohne dass man Neugschwandtner auch nur wenigstens aufgestöbert hätte. Eine gewisse innerfamiliäre Ungerechtigkeit liegt jedenfalls in diesem Fall, denn der Bruder von Adolf, Sepp, war zwar auch nicht unschuldig, bewegte sich jedoch nicht annähernd in den Sphären wie Adolf, versteckte sich nicht nach dem Krieg, stellte sich seiner Verantwortung und wurde schließlich zu einem Jahr Gefängnis verurteilt, währenddessen Adolf untertauchte und 1955 schließlich sozusagen amtlich amnestiert wurde und keinen Tag Gefängnis erleben musste.

Aber eins nach dem anderen:

Die Staatsanwaltschaft Wien ersucht am 19. April 1955 um folgende Erhebungen:
Beischaffung der Strafkarte, Leumundserhebungen am letzten Wohnort, Anfrage an das BMI, Abt. II und „Widerruf der Ausschreibung“.1

Schon am 3. Mai 1955 widerruft das Landesgericht für Strafsachen Abt. VG 8 die Ausschreibung im staatspolizeilichen Fahndungsblatt 1119/46 „über Antrag der Staatsanwaltschaft Wien vom 19.04.1955. (letzte Anschrift: Krems a.d.D., Dienstlstraße 14.)“.2

Dann ist im Akt eine Karte, welche der Zusendung des Gauaktes durch das BMI an das Volksgericht beigelegt war:

In der Anlage wird der Gauakt 146.367 (21 Blatt) betr. Adolf Neugschwandtner (20.4.1901) zur Einsichtnahme mit dem Ersuchen um ehesten Rückschluss übermittelt.
In den Unterlagen bei der Polizeidirektion Wien, Abt. I,  unter Zl ZE 34.089/46, wird der Genannte als Angehöriger der österr. Legions-SA seit Sept. 1925 als Obersturmbannführer und Mitglied der NSDAP (Migl.Nr. 52.118) seit März 1925 beschrieben. 13. Mai 1955

Am 3. Oktober 1955 schreibt schließlich die Staatsanwaltschaft Wien an den Untersuchungsrichter im Landesgericht für Strafsachen, „dass kein Grund zu einer weiteren Verfolgung des Adolf Neugschwandtner wegen §§ 10, 11 VG 1947 gefunden wird (§ 90 StPO, Entschließung des Bundespräsidenten vom 19.9.1955). Beigefügt wird, dass der Adolf Neugschwandtner betreffende Gauakt vom Bundesministerium für Inneres, Generaldirektion für die öffentliche Sicherheit, zurückbehalten wurde.
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1) Wiener Stadt- und Landesarchiv (WStLA), Landesgericht für Strafsachen, Vg 8e Vr 105/55, Blatt 1.

2) Ebd., Blatt 31.

1946 bis 1955: Fahndung nach Adolf Neugschwandtner

Juni 22nd, 2018

 

Im Gauakt finden sich drei nachträglich eingelegte Auszüge aus Staatspolizeilichen Fahndungsblättern, in denen Adolf Neugschwandtner zur Festnahme ausgeschrieben war: Blatt 11/1946, Blatt 9/1947 und Blatt 5/21952. Im Fahndungsblatt 4/1955 wurde die Ausschreibung zur Festnahme widerrufen. Hier der Text der Ausschnitte im Akt:

F.Bl.Nr 11, StaPo 1946

1119 Neugschwandtner Alois [so!], SA-Brigadeführer, 20./04. 01 Storwitz [so!] g., Wien Reichsrathstr. 32 whg., weg. §10, 11 Verbotsges. (§ 58 St.G.). PolDion Wien, 10./4. 46 (Zl. I/R I/f).

F.Bl.Nr 9, StaPo 1947

754 Neugschwandtner Adolf, SA-Führer, 20./04. 01 Strobnitz, CSR. g., Krems a. d. D., Dienstlstr. 14 whg., 171 cm gß, kräftig, rd. Ges., dklbld. zurückgel. H., weg. §10, 11, 12 Verbotsges. Magistrat der Stadt Krems a. d. D., 8./3. 47 (E. Nr. 789 a/46).

F.Bl.Nr 5, StaPo 1952

F.Bl.Nr 4, StaPo 1955
R Widerruf

280 Neugschwandtner Adolf, SA-Führer, 20./04. 01 Strobnitz, CSR. g., Krems a. d. D., Dinstlstr. 14 whg., 171 cm gß, kräftig, rd. Ges., dklbld. H., weg. §10, 11 Verbotsges. Magistrat d. Stadt Krems a. d. D., Krim-Abt., 29./7. 52(Zl. 789/46).

Gefunden hatte man Adolf in dieser Zeit nicht.

Adolf Neugschwandtner am NS Volksgericht

Juni 21st, 2018

Im Frühjahr 1944 wird Adolf Neugschwandtner von der obersten SA-Führung dem Reichsminister der Justiz als ehrenamtliches Mitglied für den Volksgerichtshof vorgeschlagen, die Parteikanzlei in München bekommt am 12. Mai von der Gauleitung Wien Adolfs Eignung wegen seiner politischen Zuverläsigkeit bestätigt.1

Der Volksgerichtshof Berlin verhandelte in verschiedenen Städten, so auch in Wien, Fälle von Hoch- und Landesverrat, Wehrmittelbeschädigung, Spionage, Öffentliche Zersetzung der Wehrkraft, Vorsätzliche Wehrdienstentziehung und unterlassene Denunziation. Die Senate bestanden aus zwei Berufs- und drei Laienrichtern, die nach ihrer politischen Zuverlässigkeit (SA-, SS- und NS-Funktionäre) ausgewählt wurden.

Von mehr als 2100 Österreichern und Österreicherinnen, deren Fälle vom Volksgerichtshof verhandelt wurden, bestrafte man etwa 800 mit dem Todesurteil,  zumindest 681 davon wurden vollstreckt. 451 Personen wurden im Landgericht Wien durch das Fallbeil hingerichtet, die restlichen Urteile wurden in anderen Städten wie Graz, Berlin oder München vollstreckt.

Ich konnte die genaue Karriere Neugschwandtners beim Volksgerichtshof noch nicht erforschen. Dass er zumindest für drei himmelschreiende, unmenschliche und Unrecht darstellende Todesurteile mitverantwortlich ist, lässt sich aus zwei online zugänglichen Akten des Volksgerichtes ersehen:

Bei der Hauptverhandlung am 1. November 19442 stellen Dr. Merten als Vorsitzender, Dr. Makart, SA-Brigadeführer Neugschwandtner, NSKK-Obergruppenführer Seydel und Abschnittsleiter Seydel den Senat. An diesem Tag wurden wegen „Vorbereitung zum Hochverrat“ die 54jährige Krankenpflegerin Anna Ecker zu zwei Jahren Zuchthaus, die 62jährige Witwe Rosa Janku und der 57jährige Straßenbahnangestellte Rudolf Fellner zum Tod verurteilt. „Die Kosten des Verfahrens tragen die Angeklagten“.

Bei der Hauptverhandlung am 23. November 19443 waren die Berufsrichter Dr. Lämmle und Dr. Köhler und die Laien Gauamtsleiter Holezius, SA-Obergruppenführer Heß und SA-Brigadeführer Neugschwandtner der Senat. An diesem Tag wurde der 35jährige Pfarrer Heinrich dalla Rosa4 wegen einer Nichtigkeit zum Tode verurteilt: er habe unter Missbrauch seines Seelsorgeramtes Wehrkraftzersetzung betrieben, indem er eine kritische Bemerkung zum Kriegsausgang einer ihn denunzierenden Prethalerin (Stmk.) gegenüber gemacht hatte. Der ursprünglich aus Südtirol stammende dalla Rosa gilt heute in der katholischen Kirche als Märtyrer. 

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1) Archiv der Republik (AT-OeStA/AdR), BMI/Gauakten, Gauakt Adolf Neugschwandtner, Blätter 9 und 10.

2) Online: <http://www.doew.at/cms/download/42g9p/19793_36.pdf>

3) Online: <http://www.doew.at/cms/download/8917s/19793_151.pdf>

4) Zu Heinrich dalla Rosa siehe Google

„2 Garnituren Bettwäsche"

Juni 20th, 2018

Es ist bekannt, dass die frühen Mitglieder und insbesondere jene, die sich illegal für den Nationalsozialismus betätigt haben, bei der Verteilung des geraubte jüdischen Eigentums bevorzugt wurden. Adolf Neugschwandtner hatte für seine „Wünsche“ als gut vernetzter SA-Brigadeführer hochrangige Unterstützer.

Im Gauakt findet sich ein Empfehlungsschreiben des Sektionsleiters Dr. Max Stadler im Haupternährungsamt Wien an den Oberverwaltungsrat beim Haupternährungsamt Dr. Fritz Schiettinger, in dem es um die geplante Arisierung der bekannten Großmühle Brach & Lessing in Wien geht:

Wien, 22. September 1939

Der Führer der SA-Brigade 92, SA-Oberführer Adolf Neugschwandtner, Ehrenzeichen – und Blutordensträger, hat sich vor längerer Zeit gemeinsam mit jemand anderem um die Mühle Brach & Lessing beworben. Neugschwandtner ist Mühlenfachmann. Die Angelegenheit wurde seinerzeit aus bekannten Gründen zurückgestellt. Nun hört Neugschwandtner, dass eventuell doch eine Arisierung des Mühlenbetriebes in Frage käme. Er meldet nun seine alten Ansprüche wieder an, um nicht neben anderen Bewerbern ins Hintertreffen zu geraten.

Neugschwandtner, der gelernte Müller ist plötzlich Mühlenfachmann, der nicht vergessen werden soll, wenn dieses Filetstück unter den geraubten Schätzen verteilt wird. Genauere Nachforschungen wären nötig um herauszufinden, was damals aus der Mühle geworden ist. Heute steht auf den ehemaligen Brachmühlgründen das neue „Citygate“ und ein Nachfahre der rechtmäßigen Besitzer ist der bekannte Wiener Fotograf Erich Lessing.

Die Raffgier Neugschwandtners dokumentiert ein zweites Empfehlungsschreiben. Anstatt sich Geschirr, Küchengeräte und andere einfache Wohnutensilien zu kaufen, lässt er den Gaustabsamtsleiter und Gaugeschäftsführer von Wien, Heinrich Laube, einen Brief an den berüchtigten stellvertretenden Leiter und obersten Judenreferenten der Geheimen Staatspolizei Wien, Karl Ebner, schreiben, indem er sich moralisch soweit hinunter begibt, auch um „2 Garnituren Bettwäsche“ zu ersuchen!

Der Gaustabsamtsleiter

An die
Geheime Staatspolizei
Reg.Rat Pg.Dr. Ebner
Wien 1
Morzinplatz 4

Stb.47774/L/h    20.Juli    2 [so!]

Zuweisung von beschlagnahmten jüdischen Gebrauchsgegenständen an den Leutnant Adolf Neugschwandtner, Wien 1, Reichsratstraße 17/30a

Der Obgenannte erschien heute bei mir und bat mich, ihn nach Möglichkeit beim Ankauf beschlagnahmter jüdischer Gebrauchsgegenstände zu unterstützen.

Pg. Neugschwandtner ist Ehrenzeichenträger, Blutordensträger, Besitzer des EK I und EK 2 sowie verschiedener Sturmabzeichen und machte die Feldzüge an allen Fronten mit. Da er sich also ständig im Fronteinsatz befand, hatte er keine Gelegenheit, irgendwelche Gebrauchsgegenstände zu erwerben. Ich bitte daher, diesen verdienten Parteigenossen und Frontkämpfer besonders zu berücksichtigen. Er würde dringendst einige

Teppiche
1 Couch,
verschiedene Küchenbedarfsartikel
2 Garnituren Bettwäsche und außerdem dringend
1 Schlafzimmer

benötigen.

Ich wäre Ihnen, lieber Doktor, sehr dankbar, wenn Sie diesem Manne helfen könnten.

Heil Hitler

gez. Laube

Ebner konnte sicher helfen, verteilte er doch das geraubte Eigentum von zigtausenden jüdischen Deportierten. Hochrangige Nazis in Wien räkelelten sich in den Betten von Menschen, die mittlerweile in Konzentrationslagern gemartert und ermordert wurden. Eine objektive Stellungnahme dazu? Einfach abscheulich!

Ah – ist Neugschandtner also tatsächlich auch Leutnant geworden! Anständige Offiziere gab es damals.

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Zu Stadler: <http://agso.uni-graz.at/spannkreis/biografien/s/stadler_max_1906.html>

Zu Schiettinger: Fritz, Dr., vor 1945: Oberverwaltungsrat beim Haupternährungsamt Wien; Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer Metz sowie Gruppenleiter in der Überleitungsstelle für das „volks- und reichsfeindliche Vermögen" in Lothringen
nach 1945: Ministerialdirektor im Bundeswirtschaftsmimsterium, Leiter der Abteilung Geld und Kredit in der BRD

Zu Laube: <wien.gv.atgeschichtewiki.wien.gv.at>

Zu Ebner: <https://de.wikipedia.org/wiki/Karl_Ebner>

Quellen: Archiv der Republik (AT-OeStA/AdR), BMI/Gauakten, Gauakt Adolf Neugschwandtner, Blätter 11 und 12.