Kategorie: "Weitra"
Rote Armee: Bericht über die Situation in der Stadt WEITRA Mai 1945
Oktober 14th, 2023WEITRA
Bis 1938 war die Stadt Weitra Bezirkszentrum. Nach der Besetzung Österreichs durch deutsche Truppen wurde das Bezirkszentrum in die Stadt Gmünd verlegt. Die Stadt hat 1.700 Einwohner, außerdem leben hier 500 Auswärtige, Evakuierte/Deutsche aus Essen und Duisburg, Österreicher aus Wien und Niederösterreich.
Stadtleben.
In der Stadt gibt es keine großen Unternehmen. Es gibt eine Molkerei auf Partnerschaftsbasis, ein Getreidelagerhaus, eine Brauerei, 4 Mühlen (3 davon sind in Betrieb), eine Schmiede, eine Metallverarbeitungs- und eine Glasbläserwerkstatt.
Die Versorgungseinrichtungen in der Stadt sind gut ausgebaut: Strom, Wasserversorgung, Kanalisation, ein Badehaus und ein Friseur sind in Betrieb.
9 Geschäfte sind geöffnet und handeln. Aber ihre Waren gehen bereits zur Neige und es werden keine neuen geliefert. Das Stadtkino funktioniert immer noch nicht. Die Stadt verfügt über ein altes Geld-Kartensystem, das in den kommenden Tagen durch ein neues ersetzt werden soll.
Gmünd [oder doch Weitra?] verfügt über 334 Hektar Ackerland. In privater Landnutzung 200 Hektar, 103 Hektar gehören dem Fürsten Fürstenberg. Die Saatfläche ist nahezu vollständig bewirtschaftet. Die Hauptprodukte sind: Kartoffeln, Roggen und Hafer.
Die Stadt verfügt über folgende Lebensmittelreserven: 10-12 Waggons Weizen (100-120 Tonnen) und eine gewisse Menge Hafer. Das Getreide wurde zum Mahlen auf drei Arbeitsmühlen verteilt.
Es gibt eine Gemeindesparkasse. Eine Zivilpolizei ist organisiert.
Der Unterricht begann in der städtischen Schule, die aus 10 Klassen besteht aus (6 Klassen der „öffentlichen Schule“(1) und 4 Klassen der „Hauptschule“). Etwa 400 Kinder aus der Stadt und den umliegenden Dörfern lernen an dieser Schule.
Die Schulleiterin der Schule ist ELISABETH MORENGEL. Sie entfernte alle faschistischen Lehrbücher und stellte die Lehrmethoden wieder her, die vor 1938 existierten.
An der Schule werden folgende Fächer unterrichtet: Mathematik, Physik, Chemie, Biologie, Muttersprache, Englisch, Gesang, Zeichnen, Handwerk, Heimatgeschichte und Gymnastik. Geschichte und politische Geographie werden mangels neuer Lehrbücher nicht unterrichtet.
Es gibt 6 Lehrer, die unterrichten. Der ehemalige Schulleiter – Mathematiklehrer FRANZ HUBER – altes Mitglied der faschistischen Partei /hat ein goldenes Parteiabzeichen/ wurde inzwischen seines Amtes enthoben, unterrichtet aber weiterhin. Er wurde durch die Lehrerin ELISABETH MORENGEL (3) ersetzt. Lehrer für Physik, Mathematik und Sport ist NORBERT WERNER, ebenfalls Mitglied der faschistischen Partei. Der Rest der Lehrer ist unparteiisch.
Kommunalverwaltung.
Es wurde eine Stadtregierung gebildet, der sechs Sozialdemokraten und sechs Mitglieder der Christlich-Sozialen Partei angehören.
Der Bürgermeister von Weitra ist HANS SARTORI, seit 1909 Mitglied der Sozialdemokratischen Partei. Bis 1934 war er Vizebürgermeister. Von Beruf ist SARTORI Handwerker [Pfeifenschneider].
Der stellvertretende Bürgermeister, DR. FELIX FREUND, ist zugleich Referent für die Sparkassen- und Schulangelegenheiten. Dr. Freund ist Mitglied der Christlich-Sozialen Partei und ehemaliger Bezirksrichter. Er genießt große Autorität in der Stadt.
Darüber hinaus umfasst die Selbstverwaltung 10 Berater zu verschiedenen Themen:
HANS MAXA ist für das Wohnungswesen zuständig. Allen Bewohnern wird Wohnraum zur Verfügung gestellt.
JOSEPH WEINBERGER ist für die Sauberkeit der Straßen und den Betrieb der Kanalisation verantwortlich. Die Straßen werden regelmäßig gefegt und gewässert. Das Abwassersystem ist in einwandfreiem Zustand.
FRANZ SCHUSTER ist für den Betrieb der Wasserversorgungsanlage verantwortlich. Die Wasserversorgung funktioniert.
HANS SANDL ist für den Betrieb des Kraftwerks verantwortlich. Er ist Kraftwerksmechaniker und war in der Vergangenheit ein aktiver Faschist. Die Kontrolle über ihn ist etabliert, aber bisher gibt es niemanden, der ihn ersetzen könnte, weil es keinen Spezialisten auf diesem Gebiet gibt.
Die Polizei wird von Dr. HEINRICH FEUCHT, ehemaliger Bezirksrichter, geleitet. Nach der Ankunft der Deutschen in Österreich wurde er von seinem Amt entfernt. Die Stadt verfügt über eine Polizeitruppe von 12 Polizisten.
FRANZ KRAUS ist für die Stadtfinanzen zuständig.
JOSEPH POYS ist für die Ernährung der Bevölkerung verantwortlich. In der Stadt gibt es 4 Bäckereien, von denen 2 den Bedarf der Armee und 2 den für die Bevölkerung decken. Die Stadt verfügt über 140 Tonnen Weizen und 100 Tonnen Roggen.
JOHANN SCHWARZINGER ist für die soziale und sanitäre Sicherheit zuständig.
Der Bauer ANTON FLOH ist für die Landwirtschaft verantwortlich. Er hat keine agronomische Ausbildung und ist daher mit seinem Amt überfordert.
Bis vor Kurzem war die Kommunalverwaltung nicht mit den Zentralbehörden verbunden. Auch von der übergeordneten Stelle – in der Stadt Gmünd – erhält sie keine Weisungen.
Politische Organisationen.
Die faschistische Organisation, die die Stadt und die umliegenden Dörfer umfasste, zählte bis zu 360 Mitglieder, darunter auch diejenigen, die zur Armee eingezogen wurden. In der Stadt leben 73 Mitglieder der Nationalsozialistischen Partei. Nur 3 aktive Nazis konnten entkommen (Maria BÜCHLER, ZENGERN und STOCKHAMMER).
Einige ehemalige Mitglieder der Nationalsozialistischen Partei bekleiden noch immer verantwortungsvolle Positionen. So leitete beispielsweise ein gewisser ALOIS PFEIFER, seit 1938 Mitglied der Nationalsozialistischen Partei, das öffentliche Getreidelager [Lagerhaus]. Der Bürgermeister des Dorfes Maißen ist der Altfaschist ERNST SCHUSTER, und der Bürgermeister von Harbach ist der Faschist HAIDVOGEL. Dort lebt auch der ehemalige Gendarmerie-Postenführer RECHMAN, der für seine Misshandlung ausländischer Arbeitskräfte bekannt ist.
Es gibt noch immer aktive Faschisten, wie das Mitglied der nationalsozialistischen Partei, TRUBNIK, der eine große Zahl antifaschistischer Einwohner verriet, von denen viele erschossen wurden.
In Weitra gibt es Mitglieder der Sozialdemokratischen Partei und Mitglieder der Christlich-Sozialen Partei. Parteiorganisationen sind jedoch noch nicht institutionalisiert.
Die Stimmung der Bevölkerung.
Die Bevölkerung ist der Roten Armee gegenüber durchaus loyal und bedankt sich bei ihr für die Befreiung Österreichs von der nationalsozialistischen Unterdrückung.
Einige Bewohner äußern ihre Verwunderung darüber, dass es weiterhin viele aktive Faschisten gibt, die Verbrechen begangen haben und friedlich in der Stadt leben können und keiner Repression ausgesetzt sind.
Die Gefühle der Stadtbewohner werden durch die Aussage des Tierarztes belegt.
THEODOR FRANTIŠEK:
„Trotz meiner 80 Jahre arbeite ich unermüdlich. Das Wissen, dass wir frei von den verdammten Nazis sind und für unser Heimatland Österreich arbeiten können, gibt mir Mut und Kraft. Ich möchte trotz meines fortgeschrittenen Alters noch mehr arbeiten.“
Der Leiter der 7. Abteilung der politischen Abteilung der 46. Armee, Oberstleutnant A. Grekul /GREKUL, 30. Mai 1945
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Dies ist ein Ausschnitt aus dem umfassenderen Bericht "Über die Situation in der Stadt SCHWERTBERG, WEITRA und PERG."
1) Volksschule. Deren Direktor ab 1943 war Gustav Horny gewesen, Ortsgruppen-Stellvertreter der NSDAP. Er tötete bei Herannahen der Roten Armee am 10. Mai 45 seine Frau Ludmilla und sich selbst. Die Tötung seiner 23-jährigen Tochter Edith misslang ihm, sie überlebte schwer verletzt den Pistolenschuss in den Hinterkopf.
2) Direktor der Hauptschule von 1938 bis 1945
3) Provisorische Leiterin 1945
Eine Spitalerin, Nichte von Anton Ledermüller, ging nach Amerika. Und nicht nur sie!
August 5th, 2023Wie im letzten Eintrag beschrieben, schwören drei Männer am 6. Juni 1876 in Weitra beim Notar, dass der Georg Hiedler, lange selig, der Vater des Alois Schicklgruber gewesen sei. Zwei davon gehören nahe zur Familie Ledermüller in Spital Haus Nr. 28!
Der Schustermeister Anton Ledermüller ist - wie wir wissen - der Lehrherr von Hitlers Vater 1850 bis 1852. Wie sind die "Hitler"-Zeugen nun mit ihm verwandt? Die Schwester des Schustermeisters, Josefa, heiratete im Jahr 1831 den Webergesellen Josef Pautsch aus Spital 16. Der eine Zeuge, Engelbert Pautsch, ist ein Sohn der beiden! Der zweite Zeuge, Johann Breiteneder, ist durch seine Heirat mit Tochter Theresia ein Schwiegersohn der beiden!
Im Zuge der Erkundigungen zu den beiden Zeugen bin ich auf die Geschichte einer weiteren Tochter von Josef Pautsch und Josefa, geb. Ledermüller, gestoßen. Und die ist nicht weniger spannend! Sie führt uns in die bis heute unerforschte Geschichte der Waldviertler Auswanderung am Ende des 19. Jahrhunderts nach Amerika!
Diese Schwester bzw. Schwägerin der Hitler-Zeugen heißt Juliana Pautsch und ist 1839 auf Spital 16 geboren. Sie geht als Erwachsene nach Wien Erdberg, in welchem Bezirk auch die Spitaler Prinzen wohnen. Mit 30 Jahren heiratet die nunmehrige Handarbeiterin dort in der Kirche St. Peter und Paul den fünf Jahre jüngeren Tagelöhner Franz Brunner (in der Matrik "Bruner"), der von einem Weber Franz Brunner senior aus Pürbach bei Schrems stammt. Die Kinder des Ehepaares werden:
Juliana (später Julia) Brunner: * 18. Mai 1870, Dietrichgasse 23
Josefa (Josephine, Josie) Brunner: * 29. Februar 1872, Strozzigasse 47 (8. Bezirk, gute Adresse)
Franz Josef (Frank J.) Brunner: * 22. September 1874, Palmgasse 6 (Nähe Westbahnhof)
Alois (Louis) Brunner: * 18 Jänner 1877, Palmgasse 6
Die Buben Franz und Alois sehen für's erste ihre Großeltern väterlicherseits nicht. Diese sind nämlich im März 1872, gleich nach der Geburt von Josefa, nach Bremen aufgebrochen, um dort die große Reise über den Atlantik nach Amerika anzutreten. Von der Familie Brunner reisen: Die Großeltern Franz (53) und Anna (54) Brunner, die Tante Maria (21) und alle Onkeln, die da wären: Ferdinand (18), Anton (14), Josef (25) und Johann (34). Die Reihenfolge ist hier dieselbe, wie in der Passagierliste des Dampfschiffes Hannover, welches am 28. Mai 1872 New York erreichte.
Wie ein Kollege unter den Ahnenforschern, Friedrich Hafner, festgestellt hat, fahren mit den Brunnern auf der SS Hannover noch an die 50 Waldviertler aus unsrer Gegend mit. Sie stammen etwa, wie die Brunners, aus der Pfarre Langschwarza, aber auch aus Kleedorf, Ullrichs, Lembach usw.
Die Tante Josefa heiratete 1869 den Vogler Josef aus Hoheneich und folgt der Familie im Jahr 1878.
Wie es aussieht, bleibt von der Brunnerschen Verwandschaft nur die älteste Tante Walpurga "zu Hause" in Wien. Sie hat dort schon 1863 in Erdberg den aus Hoheneich stammenden Gärtner Franz Haider geheiratet. Sie wäre bei der Reise der Eltern 33 Jahre alt gewesen.
Als Julianes und Franzens Jüngster, Alois, fünf Jahre geworden ist, machen sie sich zusammen mit allen vier Kindern, so wie die anderen vor zehn Jahren, auf den Weg nach Amerika. Sie reisen im Sommer 1882 nach Bremen und gehen an Bord der SS Hermann. Das Schiff geht nicht nach New York, sondern nach Baltimore, wo sie am 14 Juli 1882 ankommen.
In der Passagierliste sind sie als Familie Brammer geführt, deswegen waren sie nur durch tagelanges, händisches Suchen zu finden!
So wie bei allen Verwandten, liegt das Land ihrer Hoffnung noch mehr als 1000 Meilen von Ihrem Ankunftshafen entfernt: in Wisconsin, das westlich der Großen Seen im Nordosten der USA liegt.
Wir werden sehen, dass es dort in bestimmten Regionen richtige Waldviertler Gegenden gibt.
Anzeige in der Wiener Morgen-Post 1872. Wer konnte da hierbleiben?
So in etwa sah die Hermann aus.
Der Wanderer im Waldviertel
Mai 31st, 2023Ich habe die Kapitel aus Reils romantischer literarischer Wanderung aus dem Jahr 1823 abgeschrieben, die sich auf die Gegend um Weitra beziehen. Angeblich war er 1815 hier. Ich denke aber, dass er eventuell zwei Mal im Waldviertel war bzw. dass er einiges mit der Freiheit des Autors erfunden hat. Besonders eindrücklich und empfehlenswert sind seine Schilderungen über die Glashütten von Vater und Sohn Zich in der Schwarzau bzw. in Joachimstal.
Der Wanderer im Waldviertel (Brünn 1823) PDF
Adolf und Josef Neugschwandtner
Juni 9th, 2018Vor einigen Jahren las ich im Standard einen Artikel mit dem Titel "Die Stunde der 'Ariseure'"1 über "Die unrühmliche Rolle, die der Kunsthandel bei der "Arisierung" jüdischen Vermögens gespielt hat". Darin findet sich auch der Bericht über einen jüdischen Musiker, der aus seiner Wohnung getrieben worden war, seine wertvollen Möbel, Bilder und dergleichen zur Aufbewahrung gegeben hatte aber diese dann ohne jede Zustimmung oder Nachricht in der Auslage eines Kunsthändlers zum Verkauf angeboten fand.
Diese Kunsthandlung habe sich in der Augustinerstraße in Wien befunden und einem gewissen "Sepp Neugschwandtner" gehört, der im selben Haus noch eine (arisierte) Antiqitätenhandlung kommissarisch verwaltet haben soll. Und: "Neugschwandtner war vor 1938 Kunsttischler und wiederholt arbeitslos gewesen. Nach dem 'Anschluss' gelang ihm mithilfe seines Bruders Adolf, eines SA-Brigadeführers, der Einstieg in den Kunsthandel."
In Oberlainsitz, weit weg von Wien, gab es in meiner Jugend einen sich als Restaurator betätigenden Herrn mit Namen Sepp Neugschwandtner, sollte dieser gemeint sein? Falls er einen Bruder mit Namen Adolf gehabt hat, wäre die Wahrscheinlichkeit groß, dass es sich um unseren Mann handelt.
Nun, Josef Jakob Neugschwandtner aus Oberlainsitz ist am 24. Juli 1904 in Weitra als Sohn des Müllergehilfen Rudolf Neugschwandtner und dessen Frau Barbara geboren worden.2 Es war nicht ihr einziger Sohn, ein älterer mit dem Namen Adolf war am 20. April 1901 in Strobnitz (Horní Stropnice) auf die Welt gekommen.3
Ein weiteres und schließlich schlagendes Indiz für die Identität der Personen ist eine Zeitungsmeldung der Donauwacht vom 23. September 1942:
„Ortsgruppe Harmannschlag. Tod des Altparteigenossen Neugschwandtner. Infolge eines Magenleidens verstarb der Altparteigenosse Rudolf Neugschwandtner aus Ober-Lainsitz. Pg. Neugschwandtner war schon immer ein national denkender Mann und stand seit den Anfängen des Nationalsozialismus zu unserer Fahne. Wer immer Gelegenheit hatte, mit ihm über unsere Idee zu sprechen, wurde von der Treue des alten Kämpfers stark beeindruckt. Die Partei wird ihm stets ein ehrendes Andenken bewahren!“
Es wird sich also lohnen, die Geschichte seiner beiden Söhne anzuschauen.
Bild aus Neues Wiener Tagblatt (Tages-Ausgabe) 2. Juli 1939
Was kann man aus Onlinemedien alles über diese beiden herausfinden?
Der Name Adolf Neugschwandtner scheint ein sehr seltener zu sein. Eine erstes Googeln liefert nur den Hinweis auf Wikipedia, dass er am 30. Januar 1942 zum Brigadeführer, dem dritthöchsten Rang der SA, befördert worden ist.
Die Suche nach "Sepp Neugschwandtner" liefert den oben genannten Artikel aus dem Standard und noch einen weiteren derselben Autorin, in welchem Sepp N. als kommissarischer Verwalter einer zweiten zu arisierenden Antiquitätenhandlung (von Wilma Werner) im selben Haus Augustinerstraße 8 genannt wird.
Und es scheint ein amerikanisches Dokument auf, das sich auf ein Bild aus Neugschwandtners Besitz bezieht:
4)
Dieses Dokument entstammt einem Interimsreport der amerikanischen Armee über den Stand der Restitutionen geraubten Kunstgutes aus dem Jahr 1949. Ein Bild stehe unter militärischer Verwahrung, weil es von Sepp Neugschwandtner Oberlainsitz 35 kommen soll, der am 9. März 1948 als illegaler Nazi zu einem Jahr schweren Gefängnis und zum Vermögensverlust verurteilt worden sei. Man habe die Sache an das Bundesdenkmalamt gemeldet, weil sie in die Zuständigkeit der österreichischen Gerichtsbarkeit falle und man habe gebeten, dass man informiert werde, falls die Verwahrung beendet werden sollte. Es handelt sich um das Bild "Abstieg vom Kreuz" von Guilio Romano, wobei die Figur Jesu von Raffael gemalt worden sein soll.
Die Suche nach "Josef Neugschwandtner" ergibt aktuell 218 Ergebnisse auf Google, nur zwei davon sind Treffer:
Das Buch "NS-Kunstraub in Österreich und die Folgen" von Gabriele Anderl aus dem Jahr 2005, in welchem Neugschwandtner vorkommt und der Wikipediaeintrag für Otto Schatzker, von dem Neugschwandtner das Geschäft in der Augustinerstraße übernommen hatte, wie man auch aus obiger Eröffnungsanzeige sieht.
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1 Gabriele Anderl, Die Stunde der 'Ariseure'. In: Der Standard (03.10.2009).
2 Taufbuch kath. Pfarre Weitra, XIII, Blatt 294.
3 Taufmatrik kath. Pfarre Strobnitz, IX, Blatt 162, Ordnungszahl 23.
4 Cases and reports, claims processed by, and general records of the Property Control Branch of the U.S. Allied Commission for Austria (USACA) Section, 1945-1950. Member Contributions for Restitution: Fine Arts › Page 41. <online>
Helene Naber, Annelies, Helli Naber-Binder, Helene Jäger (* 28. Juni 1917, + 8. März 2009)
Mai 31st, 2018Helene Jäger, geb. Naber, stammt aus einer „deutschen, nationalsozialistischen“ Familie in Wien Hietzing, wird in ihrer Schulzeit zweimal wegen NS-Betätigung inhaftiert, 1935 nach der siebten Klasse vom bürgerlichen Gymnasium Wenzgasse verwiesen, geht mit der Mutter und ihrem Bruder ins „Altreich“, weil „es der Familie als notorischen Nationalsozialisten nicht mehr möglich [war], in Wien weiter zu leben“. Helene kommt auf Wunsch der illegalen BDM-Gebietsmädelführerin für Österreich, Herta Weber-Stumfohl, unter dem Decknamen „Annelies“ 1937 zurück und wird eine der tüchtigsten und effizientesten illegalen Untergauführerinnen Österreichs. Sie tritt, knapp 20 Jahre alt, der NSDAP Ortsgruppe Lainz bei, fährt per Fahrrad durch ihren Untergau Niederösterreich, organisiert heimlich stattfindende Fortbildungen, setzt tüchtige Gruppenführerinnen ein, baut den BDM im Untergrund so weit auf, dass am 13. März 1938 morgens 1 400 Deutsche Mädel den Reichsjugendführer am Westbahnhof in Uniform und mit Fahnen begrüßen, Deutsche Mädel, die es einen Tag vorher so noch gar nicht geben hat dürfen.
Ihre NSDAP-Mitgliedschaft, die seit 1937 besteht, wird ihr als Alt-Parteigenossin schnell anerkannt, aus „Annelies“ wird „Helli Naber-Binder“, sie wird Führerin des neu geschaffenen Obergaues Niederdonau und arbeitet unter starker medialer Präsenz zusammen mit den höchsten Repräsentanten des Regimes. Ihr Gau gibt die periodische Zeitschrift „Feldpostbrief“ heraus, die zur Motivation an alle HJ-Kameraden an der Front verschickt wird, ein gedruckter „Obergaubefehl“ ergeht im Monatsabstand an alle Führerinnen bis zu den Mädel- und Jungmädelscharführerinnen. Alle Mädelschaftführerinnen darunter erhalten den monatlichen „BDM Führerinnendienst“ mit Anleitungen für ihre Gruppenabende, an denen sich die Mädchen alle Facetten der NS-Ideologie zu eigen machen sollen. Die Begeisterung der abenteuerlichen „Kampfzeit“ ist jedoch dahin, die Mädel dürfen nicht mehr marschieren, werden nach Kriegsbeginn mit Pflichten überhäuft. Viele Führerinnen flüchten in die Ehe.
Am 1. Dezember 1940 wird auch Helli bei einer Festveranstaltung von Gauleiter Dr. Jury verabschiedet, weil sie noch im selben Monat Dr. Roman Jäger heiraten wird. Sie lebt danach mit ihm, dem ehemaligen illegalen Gauleiter von Niederösterreich, der nun Gauamtsleiter des Schulungsamtes für Niederdonau ist, in einer arisierten, repräsentativen Wohnung in der Wiener Spiegelgasse nahe dem Graben.
Im Sommer 1944 verliert Dr. Jäger seine Unabkömmlichstellung, wird zum zweiten Mal eingezogen, kommt an die Ostfront und gilt seitdem als vermisst, eine diesbezügliche Meldung seines Kommandanten findet sich in keiner Akte.
Frau Jäger geht mit ihren zwei kleinen Kindern schon davor in die Wachau zu den Schwiegereltern, knapp vor Kriegsende flieht sie vor der Sowjetarmee mit ihrer Mutter (zuletzt Leiterin der NS-Frauenschaft Oberdonau) in die „Alpenfestung“, genauer ins später amerikanisch besetzte Gosau. Nach dem Krieg ergeht ein Haftbefehl des Volksgerichtes Wien wegen Straftaten nach §§ 8, 10, 11 Verbotsgesetz, die Gosauer Gendarmerie lässt sie auf freiem Fuß, Jäger zieht den Prozess durch Verlagerung nach Linz in die Länge, die österreichischen NS-Strafbestimmungen werden im Lauf der Zeit abgemildert, Gallenkoliken lassen Helene nie bei einer Verhandlung erscheinen, und so erreicht sie im April 1951, dass der Prozess schließlich zum einen Teil vom Bundespräsidenten niedergeschlagen, zum anderen wegen des Amnestiegesetzes von 1950 eingestellt wird, und sie von der drohenden Strafe für immer befreit ist.
Nach der Todeserklärung Ihres Mannes, die 1955 erfolgt, baut sie in einem enormen Tempo ihre Firma auf, in der sie Körbe in Heimarbeit flechten lässt. 1962 geht sie nach Weitra, wo immer mehr Frauen für sie arbeiten, 1967 beschäftigt sie schon mehr als 200 vornehmlich weibliche Heimarbeiter.
Statt der realen Lebensgeschichte kommt in Weitra die Legende der armen Landfrau auf, die ohne eine Vorgeschichte zu haben aus dem Salzkammergut gekommen ist und es allein durch ihr Geschick und ihren Fleiß zu Reichtum gebracht hat. Ihre wohlhabende Herkunft, ihre gute Schulbildung, ihre Arbeit als Mädelführerin, ihre gehobene politische Stellung und die ihres verstorbenen Mannes als Nationalsozialisten, dass sie halb Niederösterreich und das ganze Waldviertel gekannt hat, das alles wird wohl auch seinen Teil dazu beigetragen haben.