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Franz Kafkas Nervensäge in Planá 1922
Mein Zimmer in Planá liegt einem Sägewerk gegenüber, das zeitweise erträglich ist, dann aber, wenn es die Kreissäge arbeiten lässt, einen das Leben zu verfluchen zwingt!
Kafka sinngemäß in einem Brief aus Planá an der Lainsitz Anfang Juli 1922
Hier sind Originalfoto von Sägewerk und Kreissäge der Firma Löwy & Winterberg in Planá nad Lužnicí, deutsch Plana an der Luschnitz aus einer Selbstdarstellung der Firma 1928:
Der ganze betreffende Briefausschnitt:
An Felix Weltsch
Lieber Felix
[....] Der Lärm hat auch etwas Fascinierend-Betäubendes; wenn ich - ich habe glücklicherweise manchmal zwei Zimmer zur Auswahl - in dem einen Zimmer sitze und, so wie Du es auch beklagst, einer Säge [einem Sägewerk] gegenüber sitze, die zeitweise erträglich ist, dann aber, wenn sie die Kreissäge arbeiten läßt, in der letzten Zeit geschieht das fortwährend, einen das Leben zu verfluchen zwingt, wenn ich dann in diesem Unglückszimmer sitze, kann ich nicht fort, ich kann zwar ins Nebenzimmer gehn und muß es auch, denn es ist nicht auszuhalten, aber übersiedeln kann ich nicht, nur hin und her gehn und etwa in dem zweiten Zimmer feststellen, dass auch dort Unruhe ist und vor dem Fenster Kinder spielen. So ist die Lage.
Immerfort hoffe ich, dass, wie es einmal schon geschehen ist, die Kreissäge plötzlich zu arbeiten aufhören wird, ich kenne flüchtig den dortigen Buchhalter, sogar das gibt mir einige Hoffnung, er weiß zwar nicht, dass mich seine Kreissäge stört und kümmert sich auch sonst nicht um mich und ist überhaupt ein verschlossener Mensch und wenn er auch der offenste Mensch wäre, er könnte die Kreissäge nicht einstellen, wenn Arbeit für sie ist, aber ich schaue verzweifelt aus dem Fenster und denke doch an ihn.
Oder ich denke an Mahler, dessen Sommerleben irgendwo beschrieben war, wie er täglich um halb sechs, er war damals sehr gesund und schlief ausgezeichnet, im Freien badete und dann in den Wald lief, wo er eine "Komponier-Hütte" hatte (das Frühstück war dort schon vorbereitet) und bis ein Uhr mittag dort arbeitete und die Bäume, die später in der Säge so viel Lärm machen, in Mengen still und lärmabwehrend um ihn standen. (Nachmittag schlief er dann und erst von vier Uhr ab lebte er mit seiner Familie und nur selten hatte seine Frau das Glück, dass er abend etwas von seiner Morgenarbeit verriet.)
Aber ich wollte von der Säge erzählen. Ich allein komme von ihr nicht los, es muß die Schwester kommen und unter unglaublichen Bequemlichkeitsopfern ihrerseits das andere Zimmer mir einräumen (das allerdings auch keine Komponierhütte ist, aber davon will ich jetzt nicht sprechen), nun bin ich für eine Zeit die Säge los. So müßte man Dich auch einmal in ein stilles Zimmer hinüberführen. [...]
Werner Haas: Franz Kafka, Briefe und Tagebücher
Zu Löwy und Winterberg in Planá
„Gegen Ende des Jahres 1911 wurde in Planá an der Luschnitz eine nach dem alten Boucherie-Verfahren [wiki] mit Kupfervitriol arbeitende Holzimprägnieranstalt mit den dazugehörigen Grundstücken erworben. Das Imprägnierwerk wurde niedergelegt und an dessen Stelle ein Sägewerk errichtet, welches infolge seiner günstigen Lage am flößbaren Flußlaufe der Luschnitz einerseits und an der Staatsbahnlinie Prag-Tábor andererseits, mit den qualitativ hochwertigen, feinjährigen, südböhmischen Hölzern sowohl per Bahn als auch per Wasser versorgt werden konnte. Das Werk wurde mit 2 modernen Schnellgattern und den nötigen Hilfsmaschinen ausgestattet.“
Die beiden Bilder stammen aus dieser Denkschrift.