Kategorie: "Großpertholz"

74-facher Treueschwur auf Hitler im Pertholzer Schloss 1939

August 26th, 2024

Wenn man heutzutage durch Bad Großperholz fährt, dann bemrkt man nicht, dass sich dort ein ganzes Schloss versteckt. Direkt vor unseren Augen. Es ranken sich keine Dornen herum, das Schloss duckt sich einfach hinter Mauern und verschlossenen Toren und ist erfolgreich darin, nicht aufzufallen.

Es gehört seit 1. Jänner 1926, so wie das ganze Gut mit großem Waldbesitz, der Großindustriellenfamilie Pfleiderer. Die vorigen Gutsherren, die Hackelberg-Landau, hatten das Schloss des öfteren bei besonderen Anlässen für die Bevölkerung geöffnet.

Jetzt erfahre ich, dass es auch Zeiten gab, in denen die Pfleiderer ihre Schlosstore aufmachten. Aber lesen Sie selber:

"Gr. Pertholz

Unser Schwur... Der schöngegliederte barocke Innenhof des Schlosses in Groß- Pertholz hat Festschmuck angelegt. Er hat heute seinen großen Tag! Es wird Abend und Hunderte nehmen den Weg zum Schloßhof und nehmen Aufstellung in den Arkaden. Hochauf lodern drei mächtige Pylonen und tauchen den ganzen Hof in rötliches Licht. Marschmusik… Stramm vollzieht sich der Einmarsch, in tadelloser Haltung wird angetreten. Von der Hauptfront des Hofes grüßt auf rotem Grund das Hoheitszeichen und das Führerbild und viele Hakenkreuzfähnchen schmücken die Fenster des Arkadenhofes. Feierlicher Ernst liegt über dem Hof, mächtig flammen die Feuersäulen und leise plätschert der Springbrunnen seine uralte Melodie... Von oben aber grüßt uns der dunkle Sternenhimmel... Da treten die Sprecher vor, da klingen die Lieder auf. Und dann spricht der Ortsgruppenleiter. Was soll er wohl an diesem, für uns alle so denkwürdigen Tage sagen? Er spricht vom Führer, von seiner großen Liebe zu seinem deutschen Volk; er spricht von den Pflichten und Rechten der politischen Leiter ... Die Rechte besitzen wir nur, um unsere Pflichten leichter erfüllen zu können… Und dann kam der Schwur! 74 politische Leiter, Walter und Warte, Frauenschaftsleiterinnen und Walterinnen, Hilfsstellenleiterinnen von Mutter und Kind heben die Hand zum Schwur. Der feierliche Augenblick des Tages war gekommen… Nun heben sich fast eine Million Hände im ganzen großen, weiten, herrlichen Deutschland, um für immer und ewig dem Führer treue Gefolgschaft zu loben. Feierlich spricht Rudolf Heß – feierlich sprechen wir ihm nach – feierlich klingt der Schwur auf im ganzen Deutschen Reich! Wieviel mögen es gewesen sein, die unseren Schwur miterlebten? Sicher 500 Volksgenossen, vielleicht mehr. Auch sie standen im Banne dieser einmaligen Stunde.

… Und weiter rauscht der Brunnen in die nun stille Nacht im Schloßhof und wer genau hinhört, der hört eine neue Melodie erklingen – stolz, frei und voll Zuversicht – und die ewigen Sterne leuchten auf die verlöschten Pylonen.

Karl Hafner“       Land-Zeitung 1939, Nr. 18

Die Pfleiderer werden doch keine Nazi gewesen sein, davon hätte man doch sicher schon gehört! Man hat doch gar nichts gehört von irgendwelchen Nazis in unserer Gegend.

74-facher Treueschwur auf Hitler im Pertholzer Schloss 1939
Neues Wiener Tagblatt , 22. 4. 1939

Übrigens war das am Abend des Führergeburtstages und Rudof Heß wurde aus dem Berliner Sportpalast per Radio übertragen. Angeblich wurden deutschlandweit fast eine Million NSDAP-Organe vereidigt. Der Schwur als Unterwerfungsversprechen:

"Ich schwöre Adolf Hitler unerschütterliche Treue,
ich schwöre ihm und den Führern,
die er mir bestimmt,
unbedingten Gehorsam!"

Wahrscheinlich übertrug sich die Ekstase auch hinauf ins Pertholzer Schloss, als Heß sich in sprituelle Verzückung steigerte:

"Wir wenden unsere Gedanken in feierlicher Gemeinschaft zum Allmächtigen, der uns den Befreier aus tiefster Not und uns den Erlöser aus tiefster Schmach gegeben hat. Wir wenden unsere Gedanken zu ihm mit der ein­zigen inbrünstigen Bitte, die uns beseelt:

Herrgott, sei auch fernerhin mit unserem Volk. Wir wollen uns mühen, mit all unseren Kräften würdig zu sein Deines Wesens. Wir wollen uns mühen, mit all unseren Kräften würdig zu sein des Führers, den Du uns gesandt."

Irgendwie habe ich das Gefühl, dass eine Partei in Österreich anfängt, sich auch dieser pseudoreligiösen Sprache zu bedienen.

New York, New York!

September 5th, 2023
New York, New York!

Eigentlich wollte ich mehr über die große Waldviertler Auswanderungswelle am Ende des 19. Jahrhunderts herausarbeiten, aber da erfuhr ich, dass zwei Schwestern der Familie Kapeller aus Steinbach bei Großpertholz auf eigene Faust nach Amerika gegangen sein sollen. Ich selber war die ersten Jahre bei meiner Großmutter in Steinbach und kann mich dunkel an einen Besuch bei den alten Kapeller im Dorf erinnern. Heute verfällt das Haus, dem man aber sein einstig schmuckes Äußeres noch gut ansehen kann.

Ich bin der Sache nachgegangen, fand die beiden Kapeller und noch weitere vier Verwandte, die ebenfalls vor oder nach ihnen nach Amerika gefahren waren.

Das ist der Bericht über sechs Junge Frauen und Mädchen aus der Sippe Laister-Miedler-Kapeller, die auf eigene Faust oder durch Entscheidung ihrer Eltern die weite Reise in den unbekannten Westen antraten und den American Dream zu verwirklichen suchten. Sie stammten aus Mühlbach, Steinbach und Oberlainsitz.

  new_york_new_york.pdf

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Pfarrer Anton Weissensteiner in Großpertholz

Juli 6th, 2018
Pfarrer Anton Weissensteiner in Großpertholz

Momentan steht mir als einzige Quelle dazu Robert Kurijs "Nationalsozialismus und Widerstand im Waldviertel" aus dem Jahr 1987 zur Verfügung.1 Im Lauf des Sommers hoffe ich Originaldokumente zum Prozess einsehen zu können. Vielleicht geben diese ja auch einen ungewollten Einblick in die Struktur eines Waldviertler Dorfes zu Zeiten des Autoritären.

Nach Kurij stammt Weissenteiner aus Eichberg in unserem Bezirk. In einer Predigt in Großpertholz vom 20. April 1941, am "Führergeburtstag", soll er den Niedergang des Glaubens in der damaligen Zeit beklagt haben: während man früher aufragende Burgen gebaut habe, baue man jetzt nur noch Bunker. Daraufhin sei er denunziert und in Folge das erste Mal verhaftet worden. Anscheinend wurde er bis zur Verhandlung wieder freigelassen, denn erst ein weiterer Vorfall brachte ihn in noch ärgere Bedrängnis. Von einem Schüler im Religionsunterricht verhöhnt, vergaß er jede Vorsicht und kritisierte den Nationalsozialismus fundamental, wurde dabei von Oberlehrer Karl Mödlagl belauscht und gestellt. Weissensteiner wurde wieder angezeigt, verhaftet und schließlich am 19. Dezember 1941 in Krems zu 18 Monaten Gefängnis verurteilt. Er verbüßte die volle Strafe, musste danach Großpertholz verlassen und kam nach Spital bei Weitra. Ob er sich im Geburtsort von Hitlers Mutter wohl gefühlt hat?

________14.07.2018

Im Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstandes gibt es das Dossier zu Weissensteiner2 noch, aber es ist nicht mehr sehr reichhaltig.  Anscheinend hatte Kurij bei der Verfassung seines Buches noch mehr darin vorgefunden. Dieser Akt enthält heute hauptsächlich Dokumente, die anlässlich des Ansuchens Weissensteiners auf Haftentschädigung Anfang der 50er Jahre angefallen sind, unter anderem einen Brief vom Sekretariat der bischöflichen Klerusstellen, den ich hier gerne wiedergeben möchte, da er doch Licht auf einige Umstände wirft:

Wien, den 30. 12. 1952

Lieber Freund!

Reichlich spät, zum Glück noch nicht zu spät, bewirbst du dich um eine Amtsbescheinigung. Schicke also den Heimatschein, gleichgültig, von welcher Gemeinde er ausgestellt ist, und einen Wohnungsnachweis, der von der Gemeinde in Spital zu bekommen ist, stempelfrei nach Gmünd. Die Staatsbürgerschaft ist durch den Heimatschein ohnehin nachgewiesen. Wegen des Nachweises Deines Einsatzes für ein freies und demokratisches Österreich habe ich soeben an Deinen ehemaligen Verteidiger Dr. Saahs geschrieben. Er wird Dir schicken, was du brauchst. Die paar Schilling wirst Du ihm gerne bezahlen, da Du für jeden in der Haft verbrachten Monat 431 S erhältst. Du bist zu 18 Monaten verurteilt worden. Abgeholt hat Dich die Gestapo am 11.7.1941, Verhandlung war am 19.12.1941. Im Krankenhaus warst Du interniert von Anfang Oktober 1941 bis 1.7.1942. Diese Zeit gilt vielleicht auch als Haft. Wie lange Du in Landsberg warst, weiß ich nicht. Die Untersuchungshaft, die am 25.7.1941 begann, wird wohl in die 18 Monate eingerechnet werden. Somit hat Deine Strafzeit am 25.1.1943 geendet. Wieviel Dir erlassen wurde, weiß ich nicht. Hoffentlich hast Du noch Nachweise für die bezahlten Haft- und Gerichtskosten zur Hand.

Sobald Du die Amtsbescheinigung hast. lässt Du Dir Deine Lohnsteuerkarte von der Finanzkammer schicken und gehst mit beiden zum Steueramt behufs Abschreibung von monatlich 364 S Freibetrag. Als 70jähriger kannst Du außerdem einen Freibetrag für den Unterhalt der Haushälterin verlangen. Somit wird Deine Lohnsteuer ganz minimal werden. Schreibe, wenn Du Dich bei etwas nicht auskennst.

Glückliches neues Jahr und viele Grüße.

D F Draxler [eigenhändig]

Für die Haftentschädigung brauchte man nach dem „Bundesgesetz vom 4. Juli 1947 über die Fürsorge für die Opfer des Kampfes um ein freies, demokratisches Österreich und die Opfer politischer Verfolgung“ eine sogenannte Amtsbescheinigung, diese wollte Weissensteiner sich 1952/53 ausstellen lassen. Er ist am 24. März 1878 geboren, zu dieser Zeit schon im 75. Lebensjahr, darauf spielt Draxler an.

Man findet die Daten der Festnahme, der Haft und eines neunmonatigen Spitalsaufenthaltes. Laut einem weiteren Dokument im Dossier war Weissensteiner so schwer akut herzkrank, dass er aus der Haft entlassen werden und wegen Todesgefahr ins Krankenhaus Gmünd eingeliefert werden musste. Die Verhandlung fand demnach ohne ihn statt.

Nach seiner Genesung scheint Weissensteiner in der berüchtigten Gefangenenanstalt Landsberg in Haft gewesen zu sein!

________15.07.2018

Ende 1952, Anfang 1953 suchte Weissenteiner um Entschädigung für die wegen seiner mutigen Aussagen zum Nationalsozialismus erlittene 18monatige Haft. Ich hoffe, dass er diese noch rechtzeitig bekam. Im Index des Sterbebuches von Spital/Weitra fand ich heute diesen Eintrag:

Weissensteiner hatte kaum noch drei Jahre zu leben!3

Aufruf: Falls jemand nähere Informationen zu Pfarrer Weissensteiner hat, dann bitte ich dringend um einen Kommentar!
________

1) Robert Kurij, Nationalsozialismus und Widerstand im Waldviertel. Die politische Situation 1938-1945 (Horn 1987) 94-97.

2) DÖW 13.660. Kurij zitiert in seinem Buch auch aus Vernehmungsprotokollen, dieses sind definitiv nicht mehr im DÖW-Dossier vorhanden.

3) Sterbematrik Spital <online>