Adolf Neugschwandtner am NS Volksgericht

Juni 21st, 2018

Im Frühjahr 1944 wird Adolf Neugschwandtner von der obersten SA-Führung dem Reichsminister der Justiz als ehrenamtliches Mitglied für den Volksgerichtshof vorgeschlagen, die Parteikanzlei in München bekommt am 12. Mai von der Gauleitung Wien Adolfs Eignung wegen seiner politischen Zuverläsigkeit bestätigt.1

Der Volksgerichtshof Berlin verhandelte in verschiedenen Städten, so auch in Wien, Fälle von Hoch- und Landesverrat, Wehrmittelbeschädigung, Spionage, Öffentliche Zersetzung der Wehrkraft, Vorsätzliche Wehrdienstentziehung und unterlassene Denunziation. Die Senate bestanden aus zwei Berufs- und drei Laienrichtern, die nach ihrer politischen Zuverlässigkeit (SA-, SS- und NS-Funktionäre) ausgewählt wurden.

Von mehr als 2100 Österreichern und Österreicherinnen, deren Fälle vom Volksgerichtshof verhandelt wurden, bestrafte man etwa 800 mit dem Todesurteil,  zumindest 681 davon wurden vollstreckt. 451 Personen wurden im Landgericht Wien durch das Fallbeil hingerichtet, die restlichen Urteile wurden in anderen Städten wie Graz, Berlin oder München vollstreckt.

Ich konnte die genaue Karriere Neugschwandtners beim Volksgerichtshof noch nicht erforschen. Dass er zumindest für drei himmelschreiende, unmenschliche und Unrecht darstellende Todesurteile mitverantwortlich ist, lässt sich aus zwei online zugänglichen Akten des Volksgerichtes ersehen:

Bei der Hauptverhandlung am 1. November 19442 stellen Dr. Merten als Vorsitzender, Dr. Makart, SA-Brigadeführer Neugschwandtner, NSKK-Obergruppenführer Seydel und Abschnittsleiter Seydel den Senat. An diesem Tag wurden wegen „Vorbereitung zum Hochverrat“ die 54jährige Krankenpflegerin Anna Ecker zu zwei Jahren Zuchthaus, die 62jährige Witwe Rosa Janku und der 57jährige Straßenbahnangestellte Rudolf Fellner zum Tod verurteilt. „Die Kosten des Verfahrens tragen die Angeklagten“.

Bei der Hauptverhandlung am 23. November 19443 waren die Berufsrichter Dr. Lämmle und Dr. Köhler und die Laien Gauamtsleiter Holezius, SA-Obergruppenführer Heß und SA-Brigadeführer Neugschwandtner der Senat. An diesem Tag wurde der 35jährige Pfarrer Heinrich dalla Rosa4 wegen einer Nichtigkeit zum Tode verurteilt: er habe unter Missbrauch seines Seelsorgeramtes Wehrkraftzersetzung betrieben, indem er eine kritische Bemerkung zum Kriegsausgang einer ihn denunzierenden Prethalerin (Stmk.) gegenüber gemacht hatte. Der ursprünglich aus Südtirol stammende dalla Rosa gilt heute in der katholischen Kirche als Märtyrer. 

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1) Archiv der Republik (AT-OeStA/AdR), BMI/Gauakten, Gauakt Adolf Neugschwandtner, Blätter 9 und 10.

2) Online: <http://www.doew.at/cms/download/42g9p/19793_36.pdf>

3) Online: <http://www.doew.at/cms/download/8917s/19793_151.pdf>

4) Zu Heinrich dalla Rosa siehe Google

„2 Garnituren Bettwäsche"

Juni 20th, 2018

Es ist bekannt, dass die frühen Mitglieder und insbesondere jene, die sich illegal für den Nationalsozialismus betätigt haben, bei der Verteilung des geraubte jüdischen Eigentums bevorzugt wurden. Adolf Neugschwandtner hatte für seine „Wünsche“ als gut vernetzter SA-Brigadeführer hochrangige Unterstützer.

Im Gauakt findet sich ein Empfehlungsschreiben des Sektionsleiters Dr. Max Stadler im Haupternährungsamt Wien an den Oberverwaltungsrat beim Haupternährungsamt Dr. Fritz Schiettinger, in dem es um die geplante Arisierung der bekannten Großmühle Brach & Lessing in Wien geht:

Wien, 22. September 1939

Der Führer der SA-Brigade 92, SA-Oberführer Adolf Neugschwandtner, Ehrenzeichen – und Blutordensträger, hat sich vor längerer Zeit gemeinsam mit jemand anderem um die Mühle Brach & Lessing beworben. Neugschwandtner ist Mühlenfachmann. Die Angelegenheit wurde seinerzeit aus bekannten Gründen zurückgestellt. Nun hört Neugschwandtner, dass eventuell doch eine Arisierung des Mühlenbetriebes in Frage käme. Er meldet nun seine alten Ansprüche wieder an, um nicht neben anderen Bewerbern ins Hintertreffen zu geraten.

Neugschwandtner, der gelernte Müller ist plötzlich Mühlenfachmann, der nicht vergessen werden soll, wenn dieses Filetstück unter den geraubten Schätzen verteilt wird. Genauere Nachforschungen wären nötig um herauszufinden, was damals aus der Mühle geworden ist. Heute steht auf den ehemaligen Brachmühlgründen das neue „Citygate“ und ein Nachfahre der rechtmäßigen Besitzer ist der bekannte Wiener Fotograf Erich Lessing.

Die Raffgier Neugschwandtners dokumentiert ein zweites Empfehlungsschreiben. Anstatt sich Geschirr, Küchengeräte und andere einfache Wohnutensilien zu kaufen, lässt er den Gaustabsamtsleiter und Gaugeschäftsführer von Wien, Heinrich Laube, einen Brief an den berüchtigten stellvertretenden Leiter und obersten Judenreferenten der Geheimen Staatspolizei Wien, Karl Ebner, schreiben, indem er sich moralisch soweit hinunter begibt, auch um „2 Garnituren Bettwäsche“ zu ersuchen!

Der Gaustabsamtsleiter

An die
Geheime Staatspolizei
Reg.Rat Pg.Dr. Ebner
Wien 1
Morzinplatz 4

Stb.47774/L/h    20.Juli    2 [so!]

Zuweisung von beschlagnahmten jüdischen Gebrauchsgegenständen an den Leutnant Adolf Neugschwandtner, Wien 1, Reichsratstraße 17/30a

Der Obgenannte erschien heute bei mir und bat mich, ihn nach Möglichkeit beim Ankauf beschlagnahmter jüdischer Gebrauchsgegenstände zu unterstützen.

Pg. Neugschwandtner ist Ehrenzeichenträger, Blutordensträger, Besitzer des EK I und EK 2 sowie verschiedener Sturmabzeichen und machte die Feldzüge an allen Fronten mit. Da er sich also ständig im Fronteinsatz befand, hatte er keine Gelegenheit, irgendwelche Gebrauchsgegenstände zu erwerben. Ich bitte daher, diesen verdienten Parteigenossen und Frontkämpfer besonders zu berücksichtigen. Er würde dringendst einige

Teppiche
1 Couch,
verschiedene Küchenbedarfsartikel
2 Garnituren Bettwäsche und außerdem dringend
1 Schlafzimmer

benötigen.

Ich wäre Ihnen, lieber Doktor, sehr dankbar, wenn Sie diesem Manne helfen könnten.

Heil Hitler

gez. Laube

Ebner konnte sicher helfen, verteilte er doch das geraubte Eigentum von zigtausenden jüdischen Deportierten. Hochrangige Nazis in Wien räkelelten sich in den Betten von Menschen, die mittlerweile in Konzentrationslagern gemartert und ermordert wurden. Eine objektive Stellungnahme dazu? Einfach abscheulich!

Ah – ist Neugschandtner also tatsächlich auch Leutnant geworden! Anständige Offiziere gab es damals.

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Zu Stadler: <http://agso.uni-graz.at/spannkreis/biografien/s/stadler_max_1906.html>

Zu Schiettinger: Fritz, Dr., vor 1945: Oberverwaltungsrat beim Haupternährungsamt Wien; Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer Metz sowie Gruppenleiter in der Überleitungsstelle für das „volks- und reichsfeindliche Vermögen" in Lothringen
nach 1945: Ministerialdirektor im Bundeswirtschaftsmimsterium, Leiter der Abteilung Geld und Kredit in der BRD

Zu Laube: <wien.gv.atgeschichtewiki.wien.gv.at>

Zu Ebner: <https://de.wikipedia.org/wiki/Karl_Ebner>

Quellen: Archiv der Republik (AT-OeStA/AdR), BMI/Gauakten, Gauakt Adolf Neugschwandtner, Blätter 11 und 12.

 

„Kämpfer, rauh aber herzlich“

Juni 18th, 2018

Ende des Jahres 1942 wird Adolf Neugschwandtner auf seine politische Verlässlichkeit hin durchleuchtet, weil er zum Offizier des Beurlaubtenstandes (Reserveoffizier) befördert werden soll. Die Ortsgruppe „Burgviertel“ erstellt folgendes Gutachten über ihn:

Verhalten in der Verbotszeit: aktiver Einsatz für die NSDAP, war 27 Monate in Haft.
Gegenwärtiges Verhalten: wohnt erst seit 1939 an der angegebenen Anschrift und rückte dann bald ein. Verhalten soweit bekannt einwandfrei und gut.
Spendenbeteiligung: ist selten in Wien. Seine Frau gibt RM 2.- pro Opfersonntag.
Wirtschaftliche Lage: Gut und gesichert.
Charakter: Kämpfer, rauh aber herzlich
Leumund: gut.
Gutachten des Ortsgruppenleiters: 4342/Sch/Hie – Brigadeführer Pg. Neugschwandtner ist Inhaber des Blutordens, der ihm im Juli 1939 verliehen wurde. Außerdem wurde ihm das goldene Parteiabzeichen zuerkannt. War längere Zeit eingerückt und war bis vor Kurzem als Verwundeter in Bad Reichenhall. Seit seiner Genesung ist er wieder tätig aber nicht mehr im militärischen Fronteinsatz, sondern hat eine Aufgabe im Protektorat zu erfüllen. In politischer Hinsicht und charakterlich kann über den Angefragten von Seite der Ortsgruppe „Burgviertel“ nur Gutes berichtet werden. Er wird in der Ortsgruppe „Gauleitung Niederdonau“ im Stande geführt. Die formelle Erledigung einer politischen und charakterlichen Beurteilung müsste daher durch diese Ortsgruppe erfolgen.

Der Personalamtsleiter
M.d.W.d.G.b. 
Kittel

Der Ortsgruppenleiter
M.d.W.d.G.b.
Oeller"1

Nachdem Neugchwandtner im Februar zum Brigadeführer in der SA avanciert ist, steht seine Beförderung zum Offizier in der Wehrmacht an. Aus den Akten des Archivs der Republik bzw. den Gauakten geht nicht hervor, ob diese Beförderung auch wirklich erfolgt ist. Interessant wäre auch zu wissen, welche Aufgabe Neugschwandtner im Protektorat Böhmen und Mähren aufgetragen bekam.
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1) Archiv der Republik (AT-OeStA/AdR), BMI/Gauakten, Gauakt Adolf Neugschwandtner, Blatt 8

Beförderungen Adolf Neugschwandtners (und Roman Jägers)

Juni 17th, 2018

Am 17. Juni 1938 verkündet „Das kleine Volksblatt“ die massenhafte Beförderung alter österreichischer Kämpfer in der SA.

„In Anerkennung der heldenmütigen Einsatzes und der unvergänglichen Verdienste der österreichischen SA um Großdeutschland hat, wie der ‚Völkische Beobachter‘ vom 16. d. [Monats] mitteilt, der oberste SA-Führer Adolf Hitler mit Wirkung vom 12. März 1938 [dem Tag der Machtergreifung in Österreich] folgende Beförderungen ausgesprochen […]
Zu Oberführern wurden ernannt: […] der Führer der illegalen Brigade 11 Niederösterreich-Nord SA-Führer Neugschwandtner […]
Zu Standartenführer wurden u.a. ernannt: […] die Parteigenossen Theodor Groß, Roman Jäger, Friedrich Knaus.“

Und fast vier Jahre später im Znaimer Tagblatt am 4. Februar 1942:

 Adolf ist SA-Brigadeführer geworden!

Adolf Neugschwandtner: Informationen aus seinem NSDAP-Personalfragebogen

Juni 17th, 2018

Am 23. Mai 1938 füllte Adolf Neugschwandtner seinen Personalfragebogen zur Übernahme in die seit kurzem nicht mehr illegale NSDAP aus.

 

 

Er hatte noch keine Kinder, war ledig, arischer Abstammung, der schriftliche Nachweis dafür noch ausständig und er wohnte in Wien in der Wasagasse 23/26 im 9. Bezirk. Als Beruf gab er Obermüller, derzeit Hauptamtlicher Führer der Brigade 92, an, als Ausbildung habe er Volks- und Bürgerschule sowie mehrere berufliche Kurse und Lehrgänge vorzuweisen.

Er war sicher kein Märzveilchen, also einer, der im März 1938 plötzlich Nazi wurde, er ist vielmehr schon im März 1925 zur NSDAP Schutzgarde gekommen und dann im Jänner 1927 zur NSDAP Hitlerbewegung übergetreten, und zwar über die Ortsgruppe Himberg bei Wien.

Die von der Reichsleitung bestätigte NSDAP Mitgliedsnummer lautete 52.118, damit gehörte er zu den ganz alten Kämpfern. Roman Jäger, der noch in diesem Eintrittsantrag eine besondere Rolle spielen wird und der spätere Ehemann von Helene Naber-Binder war, hatte schon 511.390!

Weiter aus dem Fragebogen:

„Sind sie wegen illegaler NS Betätigung bestraft worden? Ja.

Welche Strafen haben Sie erlitten? Insgesamt 7mal verhaftet. Gesamtdauer der Strafen 27 ½ Monate. [!]

Mussten Sie ins Altreich flüchten? Flüchten nicht.“

Er war freiwillig in Deutschland, wie und warum wird sich noch aus anderer Quelle erschließen.

Mehr als zwei Jahre Haft bzw. Anhaltung konnte nicht jeder vorweisen, Adolf muss sich schon besonders hervorgetan haben. Nach seinen Angaben im Fragebogen konnte er in den Zeiten Aug. 1934 bis Dez. 1934 und März 1935 bis Feber 1937 deswegen keine Mitgliedsbeiträge zahlen.

 Hier seine eigene Auflistung der Karriere bis zur Machtübernahme 1938:

„1925 und 1926 Stellvertreter des Ortsgruppenleiters in Himberg b/Wien, Schar- und Truppführer in der SA, Sturm 2

1927 und 1928 O.G. Leiter der Hitlerbewegung Himberg b/Wien, Truppführer SA Sturm 2 + 48

1929 – 1932 O.G. Leiter der Hitlerbewegung Trautmannsdorf a/Leitha, Sturm- u. Sturmbannführer II/84

1930 + 1931 Bez. Leiter, Bruck a/Leitha

1932 – 1934 SA Sturmbannführer II/21

1935 SA Standartenführer 21

1937 Stellvertreter des Brigadeführers 3

1938 Führer der Brigade 11

Im Aug. 1934 (nach dem Putsch) wurde ich aus der Gemeinde Asparn a/Zaya ausgewiesen. Dadurch verlor ich meine Stellung. Seither bin ich stellenlos.“

Und nun kommt Roman Jäger ins Spiel: als Mentor, der die Angaben Adolfs bezeugte! Er schrieb: „Ich kenne Neugschwandtner als guten Kameraden und vorbildlichen SA-Führer. Besonders hervorgehoben werden muss sein vorzügliches Verhalten in den kritischen Tagen der Machtübernahme.“

Jäger und Neugschwandtner waren gute Kameraden in der SA. Und Neugschwandtner hatte anscheinend eine besondere Rolle in den Tagen der Machtübernahme Hitlers in Österreich gespielt!

Die offizielle Aufnahme Adolfs wurde in der NSDAP Ortsgruppe Gauleitung Niederdonau vollzogen, in eine wohl besondere Truppe alter Nazis. Seine weitere Laufbahn beschreiben wir in einem nächsten Posting!