NÖ Land-Zeitung, Krems, 16. März 1938

Januar 7th, 2012

In nächster Zeit möchte ich gerne Dokumente zur Geschichte des Nationalsozialismus im Gmünder Bezirk ausheben und einige davon hier veröffentlichen. Es soll ein Beitrag zur bisher kaum erfolgten Aufarbeitung dieses unheilvollen Kapitels unserer Geschichte werden. Es würde mich freuen, wenn sich einige Leute anschließen und sich mit mir an dieser Aufgabe beteiligen!

Lange habe ich gedacht, dass kaum etwas veröffentlicht wurde in unserem Bezirk. Die Gmünder Zeitung gibt es noch nicht so lange, andere Zeitungen schien es auch nicht gegeben zu haben, bis ich auf die "NÖ Land-Zeitung" stieß, die in Krems herausgegeben wurde. Die "Land-Zeitung" war eine Wochenzeitung für ganz Niederösterreich, Gmünd wird wie den anderen Bezirken jeweils eine eigene Rubrik vom Umfang einer halben Seite aufwärts gewidmet.

Den Anfang machen nun zwei Artikel aus dieser Zeitung, und zwar aus der ersten Ausgabe nach dem Einmarsch Hitlers.  Die Artikel wurden deswegen ausgewählt, weil sie ganz unmittelbar einen ersten Eindruck in die Stimmung der ersten Stunde des Nationalsozialismus in unserer Heimat geben.

Zur Einordnung der Quelle: Die Zeitung begrüßt überschwänglich die quasi über Nacht eingetretenen neuen Umstände. Getitelt wird mit:

Deutschösterreichs Heimkehr ins Reich. Zusammenbruch der ‚vaterländischen‘ Volksfrontpolitik Schuschniggs. – Das Volk steht auf – der Sturm bricht los! – ‚Ein Volk – ein Reich – ein Führer!‘ – Adolf Hitler in seiner Heimat. – Volksabstimmung am 10.April‘

Als Ausdruck der völligen Zustimmung zu den neuen Verhältnissen wurde bereits in dieser Ausgabe das Hakenkreuz in den Titelschriftzug des Zeitungsnamens eingefügt!

Hier die Originalartikel:


Kundgebung. Auch in Gmünd fand am 6. d. eine Freudenkundgebung zum Berchtesgadener Frieden statt. Mehr als 1000 Nationalsozialisten veranstalteten am Stadtplatze einen Bummel. Als die Massen in Sechserreihen marschieren und nationale Lieder sangen, ersuchte die Gendarmerie, den Zug aufzulösen, da das geschlossen Marschieren nicht gestattet sei. Die Kundgeber befolgten ruhig die Anordnung und marschierten nun in losen Gruppen weiter.

Nationalsozialistische Volkskundgebung. Nach dem Rücktritt des Bundeskanzlers Dr. Schuschnigg fand in den späten Abendstunden auch in Gmünd eine große Kundgebung statt. Tausende von Nationalgesinnten aller Stände, jung und alt, zogen unter Absingen von nationalen Liedern und lebhaften Heil Hitler und Sieg-Heil-Rufen durch die Straßen von Gmünd 1 und 2. Unübersehbar war der Zug. Gmünd hatte eine so gewaltige Kundgebung noch nie gesehen. Die Begeisterung der Massen hatte keine Grenzen. Alte Leute umarmten sich und brachen in Jubelrufe aus. Am Stadtplatze sprach der nat.-soz. Kreisleiter begeisterte Worte zur Menge und geißelte den Verrat. Mit rauschenden Sieg-Heil-Rufen antwortete die Menge. Nach Absingen des Horst-Wesselliedes und des Deutschlandliedes zerstreute sich die Menge. Ruhe und Disziplin wurde gewahrt, streng wurden die Worte des Führers befolgt. Am Morgen wehen von d. Häusern Fahnen, darunter sehr viele mit dem Hakenkreuz. Die Geschäfte waren von Fahnenstoffen ausverkauft. Die Arbeiterkammer, bei der Waffen gefunden wurden, wurde gesperrt und der Leiter in Schutzhaft genommen. Auch andere kom. Führer wurden verhaftet. Die Gendarmerie und Miliz trägt Armbinden mit dem Hakenkreuz. Gmünd zeigte, daß es in der überwiegenden Mehrheit nationalsozialistisch ist. Sieg-Heil!


Berchtesgadener Frieden: Gemeint ist wohl das unter Druck zustande gekommene Abkommen, das beim Treffen Hitler-Schuschnigg am 12. Februar 1938 auf dem Berghof am Obersalzberg unterzeichnet wurde: Freie Betätigung der österreichischen Nationalsozialisten, stärkere Einbindung von Nationalsozialisten in die öst. Regierung.

Rücktritt Dr. Schuschnigg: 11. März


Der Löschungsantrag im OÖ Landesarchiv: Sondergerichte Linz, Schachtel 1127

Januar 5th, 2012

Reg. A 3 – 168 / 15

Eingelangt am 6. November 1935

[2 Schilling Stempelmarke]

An das löbliche Landesgericht in Linz.

Friedrich Winterberg derzeit wohnhaft in Wien III., Weyergasse 7
Eugen Winterberg, Wien III., Moosgasse 3
als Gesellschafter der offenen Handelsgesellschaft Löwy & Winterberg Mauthausner Dampfsäge

stellen instehenden Antrag auf Löschung der Firma aus dem Handelsregister.

Die Firma Löwy & Winterberg hat eine stille Liquidation vorgenommen, in deren Verlaufe sämtliche Aktiven der Firma realisiert und zur Begleichung der Passiven verwendet wurden.

Die gefertigten Gesellschafter haben sich daher auf der Auflösung der Firma und deren Löschung aus dem Handelsregister geeinigt. Da wir die Vermögensverhältnisse untereinander geregelt haben, beantragen wir:

Das löbliche Landesgericht möge die Firma Löwy & Winterberg Mauthausner Dampfsäge Hauptniederlassung in Prag unter der Firma Löwy & Winterberg, Zweigniederlassung in Mauthausen aus dem Handelsregister löschen.

Wien, am 4. November 1935.

Friedrich Fritz Winterberg
Eugen Winterberg

[30 Groschen Stempelmarke]

B.R.Z.982/1935

Die Echtheit der vorstehenden Unterschriften der Herren Friedrich (Fritz) Winterberg Wien III., Weyergasse 7 und Eugen Winterberg, Wien III., Moosgasse 3 (*), beide Gesellschafter der offenen Handelsgesellschaft Löwy & Winterberg Mauthausner Dampfsäge, wird bestätigt.

Wien, am 4. November 1935
Dr. Max Lindner, öffentlicher Notar, Wien Brigittenau


*) Es dürfte sich dabei um "Weyrgasse" bzw. "Mohsgasse" im 3. Wiener Gemeindebezirk handeln. In der Mohsgasse 2 befand sich die von Adolf Loos gestaltete Wohnung des Schwiegervaters von Eugen Winterberg, Alfred Kraus!

Löwy und Winterberg in Österreich schon 1935 aufgelöst

Dezember 23rd, 2011

Nun ist es definitiv: Die in Linz protokollierte "Löwy & Winterberg, Mauthausner Dampfsäge" mit dem Sitz in Mauthausen wurde am 8.11.1935 auf Antrag der Gesellschafter im Firmenbuch gelöscht und aufgelöst.

Wer die einzelnen Besitzungen von Löwy und Winterberg in Österreich erworben hat, darüber ist mir noch nichts bekannt.

Vielleicht war alles doch ganz anders – und die ganze Arisierungstheorie ist Humbug!

Dezember 7th, 2011

Seit ich an der Sache dran bin, versuche ich mehr über die ehemaligen Eigentümer aus den Familien Löwy bzw. Winterberg über das Internet herauszufinden. Mich hat immer schon gewundert, warum nicht – wie etwa bei der Firma Bobbin in Gmünd – nach dem Krieg Eigentümer oder deren Nachfahren um die Rückstellung des arisierten Besitzes bzw. um Entschädigung gekämpft haben. Also machte ich mich auf die Suche nach dem Verbleib der handelnden Personen.

Die meisten Treffer hat man, wenn man nach „Eugen Winterberg“ sucht. Man findet unter diesem Namen den Autor verschiedener Schriften über das Freimaurertum, man findet einen Eugen Winterberg als Mitglied verschiedener Logen und man findet ihn mehrfach als Autor schöner und gebildeter Artikel in der Londoner Exilantenzeitung „AJR. Information issued by the ASSOCIATION OF JEWISH REFUGEES IN GREAT BRITAIN“ in den 60er Jahren. Liest man den Beitrag „PRAGUE MEMORIES“ vom November 1961, dann liegt die Vermutung schon sehr nahe, dass das unser Mann ist, Eugen Winterberg, Gesellschafter der Firma im Jahre 1928!

Aber in seinen Artikeln erwähnt er nie eine Tätigkeit bei der Firma Löwy und Winterberg, und so blieb es immer nur bei der vermuteten Identität. Ich habe heute in der Nationalbibliothek im Buch „Unsere Bausteine sind die Menschen: die Mitglieder der Wiener Freimaurerlogen (1869 - 1938)“ von Günter K. Kodek endlich den Missing Link zwischen dem Londoner Publizisten und dem Prager Manager Eugen Winterberg gefunden:

Winterberg, Eugen (im Exil Winterburgh) (*27.September 1890 Prag als Sohn von Friedrich W., = 21. Jänner 1967 Maida Hill [England]) 1912-34 Gesellschafter des Dampfsägewerks Löwy & Winterberg in Prag, 1914-18 Kriegsdienst, …

Das ist unser Mann! Gleich danach sind seine hochrangigen Mitgliedschaften bei diversen Logen aufgezählt: Prager Loge Hiram zu den drei Säulen, Ehrenmitglied bei Pariser Logen, Gründungsmitglied der Prager Loge Adoniram zur Weltkugel, 24. Juni 1950 Wechsel in die Londoner Mozart Lodge No. 6997. Nach Eugen Winterberg wird auch Friedrich W., dessen Vater, als Freimaurer gelistet.

Aber was ich vorhin übersprungen habe, wirft vielleicht die ganze Arisierungstheorie über den Haufen. Da steht nämlich auch noch über Eugen Winterberg:

…1914-1918 Kriegsdienst, 1934 Liquidation der Firma, lebt ab 1935 ohne Vermögen in Wien als provisorischer Angestellter seines Schwiegervaters, Inhaber der Vereinigten Papier- und Ultramarinfabriken AG, emigr. nach England …

Wenn das richtig ist, dann wäre die Firma schon Jahre vor der Errichtung des Reichsprotektorates Böhmen und Mähren und ganz ohne Zutun der Nazis zugrunde gegangen, vielleicht ganz einfach wegen des Zusammenbruchs der Nachfrage nach Schnittholz in den langen Jahren der Weltwirtschaftskrise!

Wer hat aber dann ab 1934 die Besitzungen in Österreich und unser Sägewerk im Speziellen übernommen? Es scheint momentan sehr unwahrscheinlich, dass es wieder jüdische Besitzer waren und man weiter von einer Arisierung ausgehen müsste.


Eugen Winterberg: „PRAGUE MEMORIES“ (Seite 8 der Zeitung)

Nach dem Krieg einfach erschwindelt?

November 25th, 2011

Während bisher in allen Verkaufsverträgen immer nur von den Grundstücken die Rede war, niemals von Gebäuden und Maschinen, wird plötzlich nach dem Krieg so getan, als würde man das ganze Sägewerk rechtmäßig von der bösen „Ostmärkischen Holzverwertung KG“ des Ing. Timmel zurückbekommen. Im Rückstellungsvertrag vom 22. Dezember 1948 heißt es nämlich:

Die Ostmärkische war Eigentümerin des Sägewerkes Joachimstal

Diese Aussage ist durch keinen grundbücherlichen Vertrag belegt, und trotzdem ging sie im Jahr 1948 einfach so durch? Die Taktik ist perfide: Man stellt sich selbst als Geschädigter dar und holt sich im Zuge der Rückabwicklung gleich noch ein ordentliches Stück jüdischen Eigentums dazu. Die Vorbemerkung des Rückstellungsvertrages zeigt diese Eigensicht sehr deutlich:

Die seinerzeit bestandene Verkaufsbüro österreichischer Waldbesitzer registrierte Genossenschaft mit beschränkter Haftung wurde unter der Herrschaft des Nationalsozialismus in Österreich nach zwangsweisem Ausschluß für dieses Regime untragbarer Genossenschafter in eine Kommanditgesellschaft unter der Firma Ostmärkische Holzverwertung Dipl. Forst-Ing. Timmel Kommanditgesellschaft im Wege eines am 20. Oktober 1941 abgeschlossenen Gesellschaftsvertrages, in welchem die Genossenschaft ihr gesamtes Vermögen (Aktiven und Passiven) als Kommanditeinlage eingebracht hat, umgewandelt. An die Stelle der Genossenschaft traten nach deren Auflösung die Genossenschaftsmitglieder als Kommanditisten.

Mit 31. Juli 1945 wurde die Verkaufsbüro österreichischer Waldbesitzer registrierte Genossenschaft mit beschränkter Haftung wieder ins Leben gerufen, ein neuer Genossenschaftsvertrag errichtet und die Genossenschaft im Firmenregister des Handelsgerichtes Wien registriert. Die Ostmärkische Holzverwertung Dipl. Forst-Ing. Timmel Kommanditgesellschaft, im Folgenden kurz Ostmärkische genannt, hatte Ihr Vermögen, welches aus dem Vermögen der seinerzeit bestandenen Verkaufsbüro österreichischer Waldbesitzer registrierte Genossenschaft mit beschränkter Haftung, im Folgenden kurz Verkaufsbüro genannt, bestanden hat, an das Verkaufsbüro rückzuleiten und sich nach Durchführung einer stillen Liquidation aufzulösen. In diesem Sinne hat denn auch der öffentliche Verwalter der Ostmärkischen seine Tätigkeit ausgeübt und eine Reihe von Aktiven der Ostmärkischen an das Verkaufsbüro gegen volle Vergütung übertragen, und zwar mit Wirksamkeit für den 1. August 1945 als den Stichtag für die Liquidationseröffnungsbilanz der Ostmärkischen.

Zu den an das Verkaufsbüro übertragenen Aktiven gehört unter Anderem auch das Sägewerk Joachimstal.

Die Bauwerke veranschlagt man mit etwa 39 000 Schilling, einen Ochsenstall mit 2 000 S, bewegliche Sachwerte mit 30 000 S, was einem Gesamtwert von etwa 71 000S entspricht. Demgegenüber sollen zufällig genau so hohe Verbindlichkeiten gestanden haben, die ebenfalls übernommen wurden, und es musste kein einziger Groschen gezahlt werden. So finden wir im Grundbuch Gmünd den bekannten Eintrag:

25. Juni 1949, 236.
Auf Grund des Rückstellungsübereinkommens vom 22. Dezember 1948 wird das Eigentumsrecht einverleibt für die Verkaufsbüro österreichischer Waldbesitzer registrierte Genossenschaft mit beschränkter Haftung zur Gänze

Interessant wäre der wahre Wert der Grundstücke, Bauwerke und Mobilien schon! Später finden wir im Grundbuch Pfandrechte einverleibt, die bis zu 2,5 Millionen Schilling hoch gehen, und das in Zeiten, in der das Sägewerk längst abgetragen war und nur noch Grundstücke und Wohnbauten belehnt werden konnten!

Interessant wird auch werden, wer das andere beträchtliche Eigentum der jüdischen Besitzer Löwy und Winterberg in Österreich geraubt hat! Es handelt sich dabei um Werte in Zusammenhang mit der Flötzerei an Salza und Enns, um das wirklich große Dampfsägewerk in Mauthausen und um das 290 ha (!) große Landgut Oberhammer mit Herrenhaus und Wirtschaftsgebäuden in Ritzenedt in der Mühlviertler Gemeinde Weitersfelden. Wir finden zum Glück den ganzen Besitz schwarz auf weiß mit Fotos in der Denkschrift aus dem Jahre 1928 aufgelistet!