IG. GRIDL, K. u. K. HOF-EISENCONSTRUCTIONS-WERKSTÄTTE, BRÜCKENBAU-ANSTALT und SCHLOSSEREI, WIEN

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ie Gründung dieses Etablissements, welches als das erste dieser Art in Oesterreich zu betrachten ist, erfolgte im Jahre 1862 durch Ignaz Gridl. Es war hiedurch einem längst fühlbaren Mangel abgeholfen; die rationelle Verwendung von Eisenconstructionen, welche in Oesterreich erst seit jener Zeit in Aufnahme kam, fand immer grössere Verbreitung und dieselbe ist inzwischen sowohl in technischer als auch in architektonischer Hinsicht ein unentbehrliches Element der Baukunst geworden.

Die ursprüngliche, im bescheidenen Rahmen gehaltene Betriebsstätte des Unternehmens befand sich in Wien, VI. Eszterhazygasse 4. Hier wurden Eisenconstructionen sowohl nach vorgelegten Zeichnungen als auch auf Verlangen nach eigenen Entwürfen und Berechnungen ausgeführt. Diese bisher in Wien noch nicht gepflegte Wirksamkeit fand in Fachkreisen bald Anklang und, begünstigt durch die in Folge der Wiener Stadterweiterung sich erhebende lebhafte Baubewegung, nahm das Etablissement einen erfreulichen Aufschwung. So ergab sich nach kurzer Zeit das Bedürfnis nach ausgedehnteren Werkstätten und Lagerräumen, und aus diesem Grunde erfolgte die Verlegung des Betriebsortes nach dem V. Bezirk, Bacherplatz 3 und Siebenbrunnengasse 28, woselbst heute noch der Standort des Unternehmens gelegen ist.

Als die immer vielseitiger werdende Verwendung des Eisens speciell für Brückenconstructionen in Aufnahme kam, war die Firma Gridl eine der ersten, welche diesen Zweig in hervorragender Weise pflegte, und heute zählt dieselbe wohl zu den besteingerichtetsten und leistungsfähigsten Unternehmungen, welche sich im Inlande auf diesem Gebiete bethätigen.

Unter den vielen von der Firma ausgeführten Objecten dieser Art verdient besonders die Eisenbahnbrücke zur Verbindung des Kriegshafens in Pola mit der Oliveninsel über die Meeresbucht, welche ohne Gerüste montirt und in Verbindung mit einer Drehbrücke zum Durchlassen von Kriegsschiffen hergestellt wurde, hervorgehoben zu werden. Erwähnenswerth ist ferner die Erzeugung von transportablen zerlegbaren eisernen Brücken nach dem System Herbert für Kriegs- und landwirthschaftliche Zwecke, sowie für schmalspurige Eisenbahnen.

Eine besondere Specialität der Firma bildet die Erzeugung von eisernen Gewächshäusern, und haben zahllose Glashäuser, welche die Firma für öffentliche Institute und für höchste und hohe Persönlichkeiten, für Gartenliebhaber und Gärtnereien ausführte, ihren Ruf auch auf diesem Gebiete begründet. Trotz scharfer ausländischer Concurrenz gelang es, im Jahre 1881 den Auftrag zur Construirung und zum Bau des Palmenhauses im botanischen Garten des k. k. Lustschlosses zu Schönbrunn bei Wien zu erhalten, und wurde hiemit ein sowohl in architektonischer wie in constructiver Hinsicht sehenswerthes Bauwerk geschaffen.

Die in immer kürzeren Intervallen hereinbrechenden Theaterbrandkatastrophen legten die möglichste Beseitigung des Holzes sowohl im Zuschauerraume als auf der Bühne nahe und gaben der Firma Anlass, auch auf diesem Gebiete initiativ zu wirken und der nahezu ausschliesslichen Verwendung des Eisens Eingang zu verschaffen. Eine glänzende Probe der Leistungsfähigkeit hierin bietet wohl die innere Einrichtung des neuen k. k. Hofburgtheaters in Wien, sowohl die der gesammten Eisenconstructionen für den Zuschauerraum und die Ventilation, als auch jene der Bühneneinrichtung und der erforderlichen Maschinerien. Dasselbe gilt betreffs der Herstellungen und Lieferungen für das Deutsche Volkstheater und das Kaiser-Jubiläumstheater in Wien, sowie das Lustspieltheater in Budapest und zahlreiche andere neu aufgeführte Schauspielhäuser, so in Salzburg, Graz, Agram, Christiania etc.

Die bauliche Entwickelung Wiens und die Aufführung der grossen Monumentalbauten während der verflossenen zwei Decennien boten der Firma reichlich Gelegenheit, mit den verschiedensten Eisenconstructionen, alle nach eigenen Entwürfen und Berechnungen ausgeführt, sich hervorzuthun, und sei von solchen nur erwähnt: Die k. k. Sternwarte mit den Drehkuppeln, das Musikvereinsgebäude, Dächer und Thürme für das neue Rathhaus, (Decken, Dächer, Kuppeln, Oberlichten u. v. a.) für die beiden k. k. Hofmuseen, für den Justizpalast und das Reichrathsgebäude, für die k. k. Universität (in dieser auch die constructive Einrichtung der Bibliothekssäle), für das Decorationsdepot der k. k. Hoftheater, für die k. k. Hoftheater selbst, für das k. k. Jagdschloss zu Lainz, für den Neubau der k. k. Hofburg, für die Wiener Stadtbahn und die städtischen Gaswerke, ferner seien genannt die für Creditinstitute, wie den Wiener Giro- und Cassenverein, die Verkehrsbank, die Bodencreditanstalt u. a., für Markthallen, Waarenhäuser und viele Prachtbauten Privater effectuirten Arbeiten.

Auch an Lieferungen für Kriegszwecke ist das Etablissement hervorragend betheiligt, und besitzen dessen bombensichere Decken und Unterstände, Constructionen für befestigte Plätze, Constructionen für Schiessversuche, grosse eiserne Pontons, Scheibenständer u. dgl. ein vorzügliches Renommee in militärischen Kreisen.

Auch in der Provinz und im Auslande, namentlich in den Balkanländern, sind die Leistungen der Firma geschätzt, nachdem eine grosse Anzahl von Bauten für öffentliche und Fabrikszwecke, darunter Kasernen, Strafhäuser, Bahnhofhallen, Maschinenhäuser, Rathhäuser, Kirchen, Schulen und Theater, sowie Gebäude für Geldinstitute und Private mit Constructionen für die verschiedenartigsten Zwecke versehen wurden, und verdient namentlich die Colonnadenanlage im Curorte Marienbad (Böhmen) sowohl in decorativer wie in constructiver Richtung als ein hervorragendes Bauwerk angeführt zu werden.

Das Etablissement, welches ausser dem Beamtenpersonal 500–600 Arbeiter beschäftigt, umfasst ein Areale von 14.400 Quadratmetern, auf welchem sich das Maschinen- und Kesselhaus, die Schmiede, Richterei, Schlosserei, die grosse Halle für den Brückenbau, die Dreherei und Maschinenschlosserei, Magazine und Gebäude des technischen und administrativen Dienstes erheben. Elektrisch beleuchtet, und für den elektrischen Betrieb eingerichtet, ist die Fabrik mit den neuesten und besten Maschinen, mit Dampfhämmern, Kaltsägen, Pressen etc. etc., welche die grösste Kraftentfaltung zulassen, ausgestattet, um den sowohl hinsichtlich exacter Ausführung als kürzester Lieferzeit hochgespannten Anforderungen gerecht werden zu können.

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Aus: Die Gross-Industrie Oesterreichs. Festgabe zum glorreichen fünfzigjährigen Regierungs-Jubiläum seiner Majestät des Kaisers Franz Josef I. dargebracht von den Industriellen Österreichs 1898 (Wien 1898)90f